Mögliche Wendepunkte hat Venezuela in den vergangenen Monaten schon viele gesehen. Dass nun aber ein abtrünniger Offizier einen Hubschrauber gekapert haben soll, um auf das verhasste, weil regierungstreue Oberste Gericht zu schießen und Granaten abzuwerfen, ist selbst für Venezuela ein heftiger Einschnitt.

Die Regierung von Nicolás Maduro war wie immer, ohne Hintergründe zu nennen, blitzschnell damit bei der Hand, den Vorfall zum "Terrorakt" zu erklären. Was hinter dem Angriff steckt, ob es sich um eine größere Offensive militärischer Kreise handelt, um den umstrittenen Staatschef von der Macht zu verdrängen, bleibt unklar.

Ohne in jedem Fall die Schwere dieses Angriffs mindern zu wollen – denn wer prinzipiell nur die Gewalt der Sicherheitskräfte, nicht aber jene der Gegenseite kritisiert, der misst mit zweierlei Maß -: Die immer stärker aufgeheizte Stimmung geht aufs Konto der Regierung. Der Protest hat sich auch deshalb auf die Straße verlagert, weil im politischen System kein Platz mehr dafür ist. Die Regierung spricht und verhält sich zunehmend so, als befände sie sich im Krieg, indem sie Demonstranten vor Militärtribunale zerrt oder ihnen droht, mit Gewalt gegen sie vorzugehen.

Auch der Vorwurf der Einmischung von außen mag nicht völlig unberechtigt sein, aber eben auch nicht der entscheidende Faktor: Der ist nämlich, dass Venezuelas Regierung katastrophal gewirtschaftet hat, deshalb an Zustimmung verliert und sich auf dem Weg in die Diktatur befindet. (Anna Giulia Fink, 28.6.2017)