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Das Angebot an Streaming-Diensten steigt – und somit auch die Intensität, mit der Konzerne um Kunden buhlen

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Wer Highlights wie "Game of Thrones", "Orange is the New Black" und "Transparent" legal sehen will, muss drei Streamingdienste abonnieren

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Es ist noch nicht lange her, da galt Netflix als Synonym für Videostreaming. Diese Ära ist vorbei. Mittlerweile kämpfen mehrere Unternehmen um den immer größer werdenden Markt. Laut einer Studie der Telekombehörde RTR, die 4.000 Nutzer befragte, hat Amazon Video unter österreichischen Nutzern zwischen 30 und 59 Jahren inzwischen sogar die Nase vorn. 17 Prozent der Nutzer dieser Altersgruppe schauen via Amazon, 14 Prozent greifen auf Netflix zurück. Bei jüngeren und älteren Kunden verteidigt Netflix den ersten Platz unter den kostenpflichtigen Streaming-Diensten. "Amazon Video ist in Österreich sehr populär", heißt es auf Anfrage bei Amazon. Konkrete Zahlen veröffentliche der IT-Konzern zwar nicht, aber: "So viel kann gesagt werden: Amazon Prime Video ist Deutschlands beliebtester Video-Streaming-Service und erfreut sich auch in Österreich großen Zuspruchs."

Trend in Richtung Preiserhöhungen

Im Konkurrenzkampf bleiben den Videostreamern mehrere Möglichkeiten, um Kunden zu gewinnen: Sie können Preise senken, auf exklusive Inhalte oder auf eine breite Masse an Titeln setzen. Ersteres dürfte kaum mehr möglich sein, ohne die Rentabilität des Dienstes einzuschränken. Mit 7,99 Euro pro Monat für Amazon Video und Netflix in der Basisvariante dürfte die Schmerzgrenze der Anbieter erreicht sein. Netflix experimentierte in den vergangenen Wochen sogar mit höheren Preisen, die einigen Nutzern angezeigt und ein "Test" gewesen sein sollen.

Ein breitgefächertes Angebot sagt Kunden zwar zu, doch auch hier machen ökonomische Grundprinzipien den Streaming-Diensten einen Strich durch die Rechnung. Denn während Lizenzen für online angebotene Inhalte vor einigen Jahren noch günstig zu haben waren – wodurch vor allem Netflix profitierte; haben Rechteinhaber nun natürlich erkannt, dass ein G'riss um beliebte ältere Serien und Filme herrscht. Daher werden die Konzerne gegeneinander ausgespielt, sodass die Lizenzgebühren unverhältnismäßig ansteigen. Deshalb verschwinden immer wieder Titel aus den Katalogen der großen Plattformen.

Exklusivtitel als Lockmittel

Bleiben die exklusiven Inhalte als Alleinstellungsmerkmal: Netflix gibt allein 2017 über sechs Milliarden Dollar für Eigenproduktionen aus. Amazon hat sich mit avisierten Ausgaben in der Höhe von 4,5 Milliarden Dollar ebenfalls hehre Ziele gesetzt. Die beiden Onlinedienste liegen somit vor klassischen US-Fernsehsendern wie ABC oder NBC. Einzig Sportsender ESPN hat – wegen teurer Sportlizenzen – höhere Ausgaben.

Pay-TV-Sender HBO, der für seine kostspieligen Eigenproduktionen wie "Game of Thrones" bekannt ist, gibt insgesamt "nur" 2,5 Milliarden Dollar aus. In den USA wetteifert der Bezahlsender mit einem eigenen Streaming-Dienst namens "HBO Now" um die Gunst der Zuseher – der jedoch preislich mit 14,99 Dollar monatlich über der Konkurrenz liegt.

Hierzulande übernimmt diese Aufgabe Sky. Nach einigen Experimenten – etwa einem 20 Euro teuren Dienst namens Sky Online oder einer Bibliothek für ältere Titel namens Sky Snap – hat sich der Bezahlsender jetzt für eine Aufsplittung seiner Streaming-Angebote entschieden. Sky Cinema bietet aktuelle Blockbuster für 14,99 Euro monatlich, Sky Entertainment exklusive Serien für 9,99 Euro monatlich.

Dort sind mit "Game of Thrones", "Walking Dead" und "House of Cards" aktuelle Staffeln der weltweit beliebtesten Serien zu finden. Besonders der letztgenannte Titel dürfte die Konkurrenz schmerzen, ist "House of Cards" doch eine Netflix-Erfindung. Doch die Produktion der ersten Staffeln wäre ohne den Verkauf der Rechte an Anbieter außerhalb der USA nicht möglich gewesen – und Netflix war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Österreich und Deutschland vertreten. Sky verweist darauf, dass "4.500 Episoden von 150 unterschiedlichen Serien" auf Sky Ticket vertreten sind. Aber "bei den Blockbuster-Serien sehen wir einen sehr starken Anstieg der Abrufzahlen", so Sky zum STANDARD. In Österreich würden etwa auch die HBO-Serie "Big Little Lies" oder Showtime-Drama "Billions" gut funktionieren.

Europäische Koproduktionen

Doch Sky lockt auch mit koproduzierten europäischen Serien als Alleinstellungsmerkmal, etwa "Gomorrha". Diese spielen für Sky eine "sehr große Rolle". Mit "Babylon Berlin" soll im Oktober die erste deutschsprachige Koproduktion starten. Diesen Sommer laufen Dreharbeiten für eine neue Serie unter der Regie von Stefan Ruzowitzky. Mit Andreas Prochaska ist ein weiterer österreichischer Regisseur für die Fortsetzung von "Das Boot" verantwortlich. Auch Netflix und Amazon investieren zusehends in lokale Inhalte. So wird die eigentlich von RTL produzierte Spionageserie "Deutschland 83" auf Amazon fortgeführt werden, ebenso das ursprünglich auf Sat1 erschienen "Pastewka". Amazon spricht gegenüber DERSTANDARD von einer "Offensive hinsichtlich exklusiver, deutschsprachiger Inhalte". Außerdem bietet Amazon, ähnlich wie Sky, das kostenpflichtige Zubuchen einzelner Sender an.

Netflix hat hingegen angekündigt, 1,65 Milliarden Euro in europäische Produktionen investieren zu wollen. Kunden haben also die Qual der Wahl. Anders als im Musikbereich, wo exklusive Inhalte bei einem Anbieter eher am absteigenden Ast sind, wird eine weitere Fragmentierung des Angebots stattfinden. Alle "Must-See"-Serien werden wohl nie mehr auf einem einzigen kostenpflichtigen Dienst zu sehen sein. Den Kunden bleibt daher, wollen sie sich legal verhalten, nichts anderes übrig, als mehrere Services zu abonnieren – oder immer wieder zu wechseln.

Mehr Piraterie durch Exklusivtitel?

Es könnte gut sein, dass durch diese Entwicklung wieder mehr Piraterie stattfindet. Laut RTR-Studie sind österreichische Nutzer schon jetzt an neun Prozent ihrer mit Onlinevideos verbrachten Zeit auf Torrent-Plattformen zu finden. Gerade junge Nutzer bis 29 Jahre sind Fans von illegalen Anbietern wie Kinox.to (vier Prozent) oder Burning Series (fünf Prozent).

Ein Zweitabo für exklusive Inhalte dürften in den kommenden Jahren wohl vor allem Sportfans buchen. Ab der übernächsten Saison (2018/2019) wird etwa die Champions League exklusiv im Bezahlfernsehen zu sehen sein. Kunden, die streamen wollen, können dann zwischen Sky, dessen "Sky Ticket Sport" 29,99 Euro kostet, und Anbieter Dazn auswählen. Letzterer setzt mit 10 Euro Abogebühr und monatlicher Kündbarkeit ganz auf das Prinzip Netflix. Die Preise von Sky, das etwa einen Online-Tagesticket Sport für denselben Preis verkauft, werden sich dann wohl nicht halten lassen. In den USA wird die Champions League gar auf Facebook gestreamt, dort sicherte sich Fox Sports die Rechte.

Steigt Apple in das Geschäftsfeld ein?

Als ob der Markt nicht ohnehin schon volatil genug wäre, schweben über all dem massenhaft Gerüchte, dass der größte IT-Konzern der Welt einen Einstieg in das Videostreaming plant. Seit Jahren wird gemunkelt, dass Apple eine Kombination aus Videothek und Live-TV-Angebot plant. Mit der von Kritikern verrissenen Reality-Show "Planet of the Apps" und "Carpool Karaoke" feierten diesen Sommer die ersten beiden Apple-Eigenproduktionen Premiere. Beweise für den Start eines Apple-Dienstes gibt es jedoch noch keine. Doch im Musikstreaming-Bereich ging es mit "Apple Music" dann plötzlich auch sehr schnell – der Dienst konnte binnen weniger Monate auf den zweiten Platz stoßen, nur Spotify hat mehr Nutzer.

Das Nachsehen bei mehr Angebot im Streaming-Bereich haben dabei Nutzer mit schlechter Internetverbindung – und böse Zungen behaupten, dabei würde es sich nicht nur um User in ländlichen Gebieten, sondern auch um alle Wiener handeln. Denn immer wieder streiken die drei großen Streaming-Dienste zu Stoßzeiten, wenn zu viele Nutzer darauf zugreifen. Sky gibt etwa an, dass zusätzlich zu neuen Sky Ticket-Kunden immer mehr Menschen auch klassische Bezahlfernseh-Abos abschließen. Für jene, die gern Netflix- oder Amazon Video schauen würden, gibt es eine derartige Möglichkeit nicht. (Fabian Schmid, 9.7.2017)