Genf – Mäuse sind in der Lage, bestimmte Mikroben zu erschnuppern. Spezielle Geruchsrezeptoren helfen ihnen dabei, kranke Artgenossen zu erkennen und schlussendlich auch zu meiden. Genfer Forscher haben nun entschlüsselt, wie es zu dieser Fähigkeit kam: Die Rezeptoren stammen ursprünglich aus dem Immunsystem.

Säugetiere haben ein ganzes Verteidigungsarsenal gegen Krankheitserreger. Ein Teil davon beruht darauf, dass eine Gruppe Rezeptoren – Fprs genannt – auf der Oberfläche von Immunzellen bestimmte Moleküle im Zusammenhang mit Mikroben erkennen. Bereits 2009 hatten Genfer Wissenschafter entdeckt, dass die gleichen Rezeptoren auch in der Nase von Mäusen vorkommen, möglicherweise um verdorbene Nahrung oder kranke Artgenossen zu erkennen.

Zwei genetische "Unfälle"

In einer neuen Studie ist das Forscherteam um Ivan Rodriguez von der Universität Genf der Frage nachgegangen, wie die Immunrezeptoren in die Mausnase gelangten. Grund dafür sind demnach zwei genetische "Unfälle", die mehrere Millionen Jahre nacheinander in der Evolution der Nagetiere auftraten, wie die Hochschule mitteilte.

In Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Alan Carleton von der Uni Genf verglich Rodriguez' Team die Erbgutsequenzen von verschiedenen Nagetierarten. So konnten sie die Evolution der Rezeptoren nachzeichnen. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachblatt "PNAS".

Gewandertes Gen

Das Erbgut wird selten als perfekte Kopie an die Nachkommen weitergegeben. Von Generation zu Generation gibt es kleine Veränderungen, die Ursprung wichtiger Neuerungen sein können. So auch im Fall der Fprs: "Im Laufe der Evolution landete ein Gen, das für einen Fpr-Rezeptor codiert, nahe eines Erbgutabschnitts zur Regulation von olfaktorischen Genen", erklärte Studienautor Joel Tuberose.

Das Fpr-Gen kaperte dieses regulatorische Element – zu Ungunsten des eigentlich davon gesteuerten Geruchs-Gens. Die Vorfahren der heutigen Hamster, Ratten und Mäuse erhielten somit die Fähigkeit, Spuren von Mikroben in ihrer Umwelt zu erschnuppern.

Mehrere zehn Millionen Jahre später geschah noch einmal etwas ähnliches beim Vorfahren der Mäuse: Ein weiteres Fpr-Gen landet wieder in der Nähe eines anderen Regulationselements für olfaktorische Gene und kaperte dieses. Mäuse können dadurch verschiedene Moleküle in Zusammenhang mit Mikroben erschnüffeln. Die Resultate zeigen beispielhaft, wie durch nur zwei genetische Unfälle eine Gruppe Rezeptoren von Sensoren der inneren Welt zu Sensoren der Außenwelt werden kann, schrieb die Uni Genf. (APA, red, 2.7.2017)