Bild nicht mehr verfügbar.

Vom Blick der Frauen: US-Regisseurin Sofia Coppola.

Foto: Invision/AP

Bild nicht mehr verfügbar.

Copppola und die Hauptdarstellerin Nicole Kidman.

Foto: Chris Pizzello/Invision/AP

Wien – Ein verwundeter Unionssoldat landet im Paradies – oder beinahe. Clint Eastwood spielte in Don Siegels grellem The Beguiled (1971) den Mann, dem in einer Mädchenschule das Leben gerettet wird, dann aber doch noch so einiges blüht. Sofia Coppola hat den Roman von Thomas P. Cullinan nun neu verfilmt und dafür in Cannes den Regiepreis erhalten. Dezenter, malerischer und vor allem mit verändertem geschlechterpolitischem Dreh legt sie Colin Farrell in die Hände von Nicole Kidman, Kirsten Dunst und Elle Fanning. Ein Drama um weibliches Begehren, Verführung, List und giftige Pilze.

Strenge, verführerische Lehrerin: Nicole Kidman und Colin Farrell in Sofia Coppolas "The Beguiled".
Foto: Universal

STANDARD: Don Siegels Film trägt Züge einer männlichen Fantasie. Worin genau liegt nun der weibliche Zugriff auf die Geschichte?

Coppola: Siegels Film, den ich mag, ist einer über Frauen, aber aus männlicher Sicht. Ich wollte dieselbe Geschichte von einem Standpunkt innerhalb der Frauengemeinschaft betrachten. Damit verbinde ich selbst etwas. Mich hat interessiert, wie es für diese Frauen sein muss, auf einen Mann zu treffen, nachdem sie lange Zeit keinen mehr in ihrer Nähe hatten. Bei Siegel kochte das Begehren der Frauen ständig über. Ich wollte das glaubwürdiger zeigen. Die Sexualität ist ein Teil dieser Frauen, ein ganz natürlicher.

STANDARD: Heißt das, der Film hat jetzt auch mehr von einer weiblichen Fantasie?

Coppola: Nun, es ging mir durchaus auch um diesen Perspektivenwechsel, darum, den Mann zum Objekt zu machen: Normalerweise fällt Frauen ja diese Rolle zu. Das nun auf scheue Art umzukehren hat mir großen Spaß bereitet.

STANDARD: Auch stilistisch ist Ihr Film zurückhaltender, der üppige Barock des Southern Gothic ist bei Ihnen nur noch ganz unterschwellig präsent.

Coppola: Ich habe mich auch am Southern-Gothic-Genre orientiert, aber immer in Verbindung mit meinem Stil. Als ich den Siegel-Film gesehen habe, hat mich das auch an The Virgin Suicides erinnert: wie die Frauen in diesem Haus isoliert leben, völlig abgeschirmt von der Außenwelt.

STANDARD: Der Schauplatz der Südstaaten ist neu in Ihrem Werk. Was hat Sie daran gereizt?

Coppola: Der Süden ist für mich sehr exotisch, das war inspirierend, obwohl ich eigentlich nicht vom Bürgerkrieg erzählen wollte. Deshalb hatte ich ursprünglich überlegt, die Geschichte in einer anderen Ära anzusiedeln. Aber es gibt etwas Übersteigertes am Süden, vor allem in Verbindung mit der Hitze und mit sexueller Repression. Das Herz der Geschichte liegt für mich in dieser Frauengruppe, in der Faszination der Frauen für diesen Mann. Mir gefiel auch, dass es sich um Frauen unterschiedlichen Alters handelte, das hatte ich bisher nicht gemacht.

STANDARD: Die Figur der schwarzen Haushälterin, einer Sklavin, haben Sie hingegen entfernt. Warum?

Coppola: Ich wollte nicht von den Rassenfragen dieser Zeit erzählen, das war eine bewusste Entscheidung. Die Sklavenfigur war mir zu stereotyp, dies ist ein zu wichtiges Thema, um es über eine Nebenfigur abzuhandeln. Es gab auch eine Frau mit einem inzestuösen Verhältnis – auch das ließ ich weg, weil ich keinen Exploitation-Film drehen wollte.

STANDARD: Hat Sie die Kontroverse, die es in den USA um das Weglassen der Sklavin gab, getroffen?

Coppola: Ich konnte das schon verstehen, aber ich wollte keine Schauspielerin fragen, so eine Rolle zu spielen. Mir gefiel es natürlich nicht, dafür angegriffen zu werden, weil ich nicht missverstanden werden wollte. Schließlich habe ich mir das aus Respekt gegenüber den Darstellungen sehr gut überlegt.

Movieclips Trailers

STANDARD: Mit Kirsten Dunst und Elle Fanning haben Sie bereits gedreht – macht das einen großen Unterschied, wenn es um die richtigen Nuancen geht?

Coppola: Gewiss findet man zu Schauspielerinnen einen besseren Draht, wenn man eine ähnliche Sensibilität besitzt. Die beiden verstehen, was ich zeigen will, und sie können es vor allem auf eine zwingende Art übermitteln. Bei Elle war es auch spannend, weil sie elf war, als ich mit ihr Somewhere gedreht habe. Jetzt ist sie eine junge Frau. Kirsten habe ich hingegen noch nie in einer so verschlossenen Rolle gesehen.

STANDARD: Mit Stephen Dorff sind Sie einst in den Töpferkurs gegangen, damit die Schauspieler zusammenfinden. Welche Methoden gab es diesmal?

Coppola: Wir haben eine Woche vor dem Dreh gemeinsam verbracht, um mehr darüber herauszufinden, wie es sein muss, gemeinsam in einem solchen Haus zu leben. Es gab Näh-, Sprach- und Tanzstunden – die Mädchen mussten sich mit der Bibel beschäftigen, alles mit dem Ziel, das Gruppengefühl zu stärken.

STANDARD: Mit Ihrer Produktionsdesignerin Anne Ross arbeiten Sie schon lange zusammen – und fertigen Moodboards an. Was kann man sich darunter vorstellen?

Coppola: Anne hat mich auch auf The Beguiled erstmals aufmerksam gemacht. Wenn ich mit einem Film beginne, denke ich zuerst über den visuellen Stil nach, der der Geschichte am besten entspricht. Ich sammle Bilder, um mit der Crew darüber zu sprechen. Anne und ich haben diese Referenzen auf Tafeln zusammengestellt, dann haben wir mit Philippe Le Sourd, dem Kameramann, Details besprochen. Es geht immer dar um, in welche Richtung sich die Geschichte visuell weiterentwickelt.

STANDARD: Hegen Sie für das US-Kino der 1970er-Jahre eigentlich eine Vorliebe? Ihr Vater war ja ein wesentlicher Teil davon.

Coppola: Es war schön, zumindest einen kleinen Teil davon abbekommen zu haben. Es war eine großartige Zeit für Filme, mit viel mehr kreativen Freiräumen als heute, wo alles so geschäftsorientiert ist. Aber ich bin froh, dass ich meinen Film machen konnte, ich will jetzt nicht deprimierend klingen! (Dominik Kamalzadeh, 28.6.2017)