Wien – Manchmal taugt ja sogar der Sport für etwas. Für ein Sinnbild zum Beispiel. Nehmen wir den Auerbach-Salto. Das ist ein Salto, der im Vorwärtsgang rückwärts gesprungen wird. Diesen nach Wilhelm Auerbach benannten Sprung von beträchtlichem Schwierigkeitsgrad vollführt ein anderer Auerbach seit Jahren mit ausgezeichneten Haltungsnoten: Dan Auerbach vollzieht diesen akrobatischen Akt künstlerisch. Dan Auerbach ist Gitarrist und Sänger der US-Band The Black Keys. Mit ihrem Retrobluesrock katapultierte sich die Band aus Ohio ganz nach vorne im Business.

Mit Schwergewichten der Nashville-Musikszene hat Dan Auerbach ein leichtfüßiges Popalbum im Geiste der Traveling Wilburys aufgenommen.
Foto: Warner Music

Auch solo bleibt Auerbach dem Spagat zwischen vorwärts und rückwärts treu. Der wie ein Hipster aus dem Universal-Versand-Katalog aussehende Musiker hat eben sein zweites Album unter eigenem Namen veröffentlicht. Es heißt Waiting On A Song.

Auf dem Cover sitzt Auerbach in einer Herbstwiese. Laub, Brauntöne, Wald im Hintergrund, Gitarre. Die Lettern erinnern an die 1970er-Jahre, also eine Zeit, aus der Auerbach mit den Black Keys beträchtlich Inspiration bezieht. Doch anders als auf seinem ersten Soloalbum Keep It Hid (2009) widmet er sich 2017 keinem verwischten Geisterhaus-Blues.

Easy Eye Sound

In seiner Wahlheimat Nashville hat er eine Gruppe Musiker um sich versammelt, die allesamt für beträchtliche Einträge in den Musiklexika gesorgt haben, um mit ihnen Waiting On A Song aufzunehmen. Den genialischen Songwriter John Prine etwa oder Duane Eddy, dessen Twang-Gitarre Lee Hazlewood einst mit dem Echo eines Getreidesilos versehen hat. Dazu Personal, das auf den Gehaltslisten von Johnny Cash, Elvis Presley oder Dusty Springfield gestanden ist, Musiker, deren Kunst das stilistische Amalgam des Country-Soul wesentlich mitgestaltet hat. Doch halt!

Wer nun denkt, das wird also so ein weiteres gepflegtes Retroding sein, irrt. Denn der 38-jährige Auerbach schlägt mit ihnen nicht den erwartbaren Weg ein. Kein Country, kein Soul, kein Blues. Mit all diesen Schwergewichten aus einer vergangenen Epoche nahm er ein unerwartbar leichtfüßiges Album auf. Eines, das an die luftige Atmosphäre mancher Lieder der Traveling Wilburys erinnert. Jener Supergroup, die aus George Harrison, Jeff Lynne, Roy Orbison, Bob Dylan und Tom Petty bestand und die der Welt Songs wie Handle With Care, Heading For The Light und Not Alone Any More geschenkt hat. Wobei Auerbach natürlich kein Roy Orbison ist. Auch kein Dylan oder einer der anderen Genannten. Das macht aber nichts.

Easy Eye Sound

Songs wie das Titellied oder Shine On Me landen zwar in unmittelbarer Nähe der Wilburys, kopieren sie aber nicht. Die Atmosphäre trägt diese Stücke in jene lichten Höhen, in denen Ende der 1980er-Jahre die Meisterwerke der Wilburys erblühten, bevor der unvergleichlich tirilierende Roy Orbison dem irdischen Leben viel zu früh entsagte.

Den Traveling Wilburys gelang es, ihrer Musik eine klare Linie zu geben, unter der die unterschiedlichen Charaktere ihrer Protagonisten zusammenfinden konnten. Das ergab einen eigenen Stil, der zwar etwas Rücksicht auf die einzelnen Personen nahm, aber nicht zu sehr. Alle mussten sich ein wenig anpassen.

Positive Gefühle

Auerbach gelingt etwas Ähnliches. Eine Musik, die eher an den Frühling als an den auf dem Cover gezeigten Herbst erinnert. An die Freuden, die das erste Grün des Jahres erzeugt. An die wiedererwachenden Lebensgeister, an Lebensfreude. Diese positiven Gefühle stehen im Mittelpunkt des Albums. Dahinter darf Duane Eddy seine Gitarre einschlägig spielen, dahinter reihen sich Charakteristika aus Country und Soul ein, werden von Auerbach jedoch so arrangiert, dass ihr Gewicht sein Ansinnen nicht erdrückt.

Easy Eye Sound

Für die Leichtigkeit der Wilburys waren Jeff Lynne und George Harrison als Otis und Nelson Wilbury verantwortlich. Dass Auerbach das mit seinen alten Haudegen ebenfalls gelingt, ist ein kleines Wunder. An einen anderen Veteranen erinnert der Song Undertow. Er ruft eine Zusammenarbeit Auerbachs mit Dr. John in Erinnerung. Für den großen Verrückten aus New Orleans hat er 2012 das Album Locked Down produziert und den Doc damit vor der Lulu-Jazz-Hölle für Pensionisten bewahrt, zumindest kurzfristig. Der gute Rest dieses Albums besitzt das Potenzial, zum Soundtrack dieses Sommers zu werden. Sonnenschein und Sprudelwein. "Uuh, uuh! Ooh, ooh!", singt Auerbach dazu. Herrlich. (Karl Fluch, 27.6.2017)