Teile des Römischen Forums von Brigantium sind freigelegt und werden durch ein Privathaus überbaut.

Foto: Karl Oberhofer
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Bregenz – Brigantium, die römische Siedlung am Bodenseeufer, lebt wieder auf. Zumindest virtuell. Die Stadt Bregenz macht als erste österreichische Stadt Fundstellen und Funderwartungsflächen über den Stadtplan sichtbar. Am Donnerstag wurde das neue Stadtplan-Tool präsentiert.

Wer auf der Website der Stadt den Stadtplan aufruft und auf "Römisches Bregenz" klickt, bekommt einen ersten Überblick über die Fundstellen, die orange gefärbt aufscheinen. Gebäude, Mauern, Gräber, Straßen, die in der über 100 Jahre alten Forschungstätigkeit entdeckt und dokumentiert wurden, scheinen in ihren Umrissen auf. Wer auf den Info-Button klickt, bekommt dazu nähere Informationen.

Pionierleistung in Österreich

Karl Oberhofer, Archäologe an der Universität Köln, und Andreas Picker, Archäologe des Bundesdenkmalamtes, haben die Planerstellung wissenschaftlich begleitet. Oberhofer: "Der Stadtplan ist in Österreich einzigartig. Neu ist, dass sich ambitionierte Laienforscher oder Menschen, die Grundstücke bebauen wollen, im Vorfeld informieren können." Ein weiterer Aspekt: "Es wurde Transparenz geschaffen, man kann Menschen für die archäologische Substanz sensibilisieren. Wir hoffen, dass das Bewusstsein weiter wächst."

Dass Bregenz einst für Handels- und Militärstrategie der Römer wichtig war, weiß man spätestens seit Fabrikanten wie Samuel Jenny und Carl von Schwerzenbach im 19. Jahrhundert ihr Herz für Archäologie und Geschichte entdeckten. Auf Jennys Grabungen geht der erste Übersichtsplan von Brigantium, erstellt 1898, zurück. 1985, als man 2.000 Jahre Eroberung des Alpenraums durch die Römer zelebrierte, wurde der Plan von Christine Ertel ergänzt, 2005 erfolgte eine Überarbeitung mit neuesten Erkenntnissen durch Florian Schimmer.

In Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt, der Uni Innsbruck, dem Vorarlberg-Museum und der Archäologiefirma Talpa wurden die analogen Pläne mit den Katasterplan abgeglichen und digitalisiert und schließlich in das geografische Informationssystem der Stadt Bregenz eingebunden. Das Ergebnis ist ein informatives Werkzeug für Hobbyforschende, aber auch für Menschen, die in den ausgewiesenen Gebieten bauen wollen.

Bürgermeister Markus Linhart (VP) ist sich mit Oberhofer und Picker einig, dass mit dem Stadtplan Bewusstsein für Bewahrung und Schutz des archäologischen Kulturguts geschaffen werden soll.

Kein Schutz der Fundgebiete

Je nachdem, welche Schlüsse die archäologische Forschung aus den Funden über die antike Urbanistik und die Siedlungsgeschichte von Brigantium zieht, muss die Stadtpolitik ihre Erkenntnisse für künftige Bauprojekte ableiten. Ein weiterer Aspekt ist die Transparenz. Durch die Veröffentlichung von Fund- und Funderwartungsflächen können sich Bauwillige informieren, wo vor Baumaßnahmen die Expertise des Bundesdenkmalamts eingeholt werden muss. Ob sogenannte Notgrabungen gemacht werden müssen, entscheidet dann das Amt.

Grabungen bringen der Forschung neue Erkenntnisse, sind aber gleichzeitig der Auftakt zur Zerstörung der Fundstätten. Denn nach den Archäologen kommen die Bagger und schaffen Platz für neue Bauten. Auf die Frage des STANDARD, ob die Stadt künftig mit Bebauungsplänen die Zerstörung archäologischer Denkmäler verhindert will, antwortete Bürgermeister Linhart ablehnend. Bebauungspläne kann er sich ebenso wenig vorstellen wie ein Verbot von Tiefgaragen im antiken Siedlungsgebiet. (Jutta Berger, 22.6.2017)