Keine Silent Disco, sondern Austausch über die Arbeitswelt der Zukunft: Lara Hagen (STANDARD), Gerhard Schwartz (EY) und Ulrike Felt (Uni Wien) bei der Uni-Success-Messe in der Aula der Hauptuni Wien.

Foto: Klaus Ranger

Mit der Bilanz sind die Organisatoren der Uni-Success, der Jobmesse der Uni Wien, auch dieses Jahr zufrieden: Circa 4.000 Besucherinnen und Besucher hatten bei 45 Ausstellern – mehrere davon zum ersten Mal dabei – zahlreiche Möglichkeiten, sich über Jobprofile und offene Stellen zu unterhalten. Zu einer Karrieremesse gehört aber auch das Rahmenprogramm, bei dem sich Zuhörer über vieles – von Bewerbungstipps bis zu Einstiegsgehältern – informieren konnten. Um da bei all dem Messelärm ungestört diskutieren zu können, geschah dies dieses Jahr per Kopfhörer – eine Neuerung, die Zuhörern und Diskutanten gefiel.

Wie aber wird die Arbeitswelt der Zukunft aussehen, in die die Absolventen von morgen und Besucher der Messe einsteigen? Welche Skills werden gefragt, welche Jobs zu erledigen sein? Diese Fragen beantworteten Gerhard Schwartz, Partner und einer der Geschäftsführer von EY in Österreich, und Ulrike Felt, Dekanin der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Uni Wien und Mitbegründerin des Masterprogramms Science-Technology-Society. Dabei zog sich ein Thema durch die einstündige Digitalisierungsdiskussion: die Effizienzsteigerung, die mit dem technologischen Fortschritt einhergeht – und was diese für die Arbeitswelt, aber auch für jeden Einzelnen bedeutet.

Kein blinder Technikglaube

Ulrike Felt formuliert es so: "Dass technologische Fortschritte passieren, ist ja unumstritten. Es geht jetzt darum, wie wir damit umgehen. Wie schaffen wir es, diese Veränderungen für eine gute Welt einzusetzen?" Die promovierte Physikerin, die am Kernforschungszentrum Cern ihre Liebe zur Wissenschaftsforschung entdeckte und dann von den Naturwissenschaften in die Sozialwissenschaften wechselte, sagt, dass noch viel zu wenig darüber diskutiert werde, dass ja auch die Algorithmen, denen wir glauben, von irgendjemandem eingestellt werden. "Wenn ich beispielsweise im Spital eine Computertomografie machen lasse, um festzustellen, ob ich einen Tumor habe oder nicht, zeigt mir die Bilderkennungssoftware den Tumor an – oder eben nicht. Und da gibt es natürlich jemanden, der definiert, wann das angezeigt wird und wann nicht." Fehlende Sensibilität verortet Felt aber auch im Umgang mit Daten – die von vielen Seiten quasi als das "neue Öl" gesehen würden. Auch hier müsse viel mehr darüber reflektiert werden, wer hier was und warum sammelt.

Anekdoten aus einer anderen Zeit

Gerhard Schwartz, der im Bereich Assurance börsennotierte heimische Unternehmen prüft, pflichtet Felt da bei. Er kommt auf das sogenannte "Amara-Gesetz" zu sprechen, wonach in Bezug auf neue technologische Möglichkeiten Euphorie – und auch Angst – häufig dazu führe, die kurzfristigen Auswirkungen des Wandels zu überschätzen und die langfristigen Folgen aber zu unterschätzen. Um sich den Veränderungsprozess vor Augen zu führen, müsse er nur an seine eigene Karriere denken, denn bereits in seinem Leben habe sich so viel Grundlegendes gewandelt. "Ich komme dann häufig mit Anekdoten, aber langsam gehen mir da die Gesprächspartner aus", scherzt Schwartz. Ein solches Beispiel, dem aber viele jüngere Zuhörer aufmerksam folgen: Als er angefangen habe, habe es ein Arbeitszeitmodell gegeben – entweder ganz oder gar nicht. Heute gebe es bei EY etwa 35 verschiedene Modelle von Vollzeit bis Homeoffice – sichtbare Auswirkungen einer digitalen Arbeitswelt, aber auch der Wünsche und Anforderungen der Digital Natives, die da nachrücken. "Flexible Arbeitszeit ist da durch die Bank die wichtigste Forderung", weiß Schwartz.

Welche Skills in Zukunft zählen

Apropos Jobeinsteiger: Was müssen die eigentlich können in einem Arbeitsmarkt, der vor dem Hintergrund von Automatisierung durch Veränderung gekennzeichnet ist? Felt und Schwartz sind sich auch in dieser Frage einig – besonders wichtig werde es, in großen Zusammenhängen denken zu können, die wesentlichen Fragen zu stellen und auch mit der großen Menge an ständig verfügbarer Information umgehen zu können. Was ihnen sowohl bei manchen Unternehmen als auch an Universitäten oder Fachhochschulen auffalle, sei aber ein Trend in die andere Richtung: nämlich dass Studienprogramme enger und spezieller würden und die Jobprofile der Firmen in vielen Fällen nach Spezialisten schreien würden. Das Problem dabei: In wenigen Jahren könne etwas ganz anderes gefragt sein.

Vom Publikum auf die teilweise düsteren Prognosen angesprochen, wie viele Jobs in Zukunft durch Roboter, Algorithmen oder Maschinen übernommen werden könnten, plädiert Felt für Gelassenheit: "Dass manche Jobs durch neue Technologien erledigt werden heißt ja nicht, dass nicht auch neue entstehen würden. Wie viele Jobs durch Automatisierung verloren gehen, ist nicht die wesentliche Frage, sondern wie wir auf diese neuen Technologien reagieren."

Die Onlinewelt in die Offlinewelt holen

Die von Lara Hagen (DER STANDARD) moderierte Diskussion kommt auch gegen Ende wieder auf das Thema Effizienz zurück: Felt nennt das Beispiel von Branchen, die die Online-Welt mit allen Mitteln in die Offline-Welt holen wollten – als Beispiel nennt sie die Verwendung von RFID-Chips in Bekleidung, um ständig über den Warenstand informiert zu sein. Eine Anwendung, die noch relativ unreflektiert geschehe. Schwartz spricht auf der anderen Seite die gestiegenen Anforderungen im Arbeitsleben an. "Viele der jungen Mitarbeiter sind selbst dafür verantwortlich, weil sie die Latte extrem hoch legen. Ständige Erreichbarkeit und keine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit machen das möglich." Hier seien Unternehmen in Zukunft besonders gefragt, sich Lösungen zu überlegen – denn dass Burnout-Fälle zunehmen, könne man in allen Branchen sehen. Ein weiterer Grund, der für Felts Appell spricht, darüber nachzudenken, wie es der Gesellschaft gelingen könne, dass die Zukunft auch für die kommenden Generationen eine gute sei. (lhag, 23.6.2017)