700 Kilometer über der Erdoberfläche soll das Weltraumteleskop Cheops Exoplaneten ins Visier nehmen.

Illustr.: Swiss Space Center/EPFL

Bern/Graz – Ab voraussichtliche Ende 2018 soll das Weltraumteleskop Cheops Exoplaneten erforschen. Das Teleskop wird derzeit an der Universität Bern zusammengebaut und getestet. Es ist die erste Weltraummission unter Schweizer Leitung.

Beobachtungsinstrument im Schütteltest

Es klingt ein wenig, als würde ein Flugzeugtriebwerk starten. Das Brummen wird lauter, die Maschine hinter einem Vorhang aus Plastikplanen bebt. Der Shaker ("Schüttler"), der ein 800-Kilogramm-Instrument stemmen kann, simuliert die Erschütterungen eines Raketenstarts. Auf dem Gerät im tiefsten Keller der Uni Bern müssen sich die Messinstrumente für Weltraummissionen erst beweisen, bevor sie an Bord einer echten Rakete ins All starten. So auch das Weltraumteleskop Cheops (CHaracterizing ExOPlanets Satellite).

Cheops ist die erste Mission der europäischen Weltraumagentur ESA unter Schweizer Leitung. Ihr Ziel: Exoplaneten genauer unter die Lupe nehmen und ihre Eigenschaften bestimmen, um Kandidaten für die Suche nach Leben im All zu identifizieren. Anders als das Kepler-Teleskop soll Cheops keine neuen Exoplaneten finden, sondern Daten zu den Eigenschaften von bereits entdeckten Planeten sammeln.

Heißer Kandidat

Ein heißer Kandidat? "Proxima b, obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Transits relativ klein ist", sagte Missionsleiter Willy Benz von der Uni Bern. "Dieser erst kürzlich entdeckte Planet, der um den uns am nächsten liegenden Stern kreist, wird sicher auf unserer Liste sein." Auf Proxima b könnten allenfalls Bedingungen herrschen, die Leben ermöglichen. Das zu klären, könnten Daten von Cheops ermöglichen.

Viele Exoplaneten, wie auch Proxima b, wurden mit der sogenannten Radialgeschwindigkeitsmethode entdeckt. Dabei weisen Forschende Exoplaneten indirekt nach: über winzige Wackelbewegungen eines Sterns, die durch die Gravitation eines (oder mehrerer) ihn umkreisenden Planeten ausgelöst werden. Daraus lässt sich zwar die Masse des Planeten errechnen, nicht jedoch seine Größe und damit, ob es sich um einen Stein- oder Gasplaneten handelt.

Anders bei der Methode, auf die Kepler und auch Cheops setzen: Diese Weltraumteleskope erfassen die Abdunklung eines Sterns, wenn ein Planet vor ihm vorbeizieht. Aus dem Grad der Abdunklung bei einem solchen "Transit" lässt sich die Größe des Exoplaneten bestimmen. Zusammen mit der Masse können Forscher daraus ableiten, ob es sich um einen Gesteinsplaneten wie die Erde oder einen Gasplaneten wie Jupiter handelt.

Bis zu 400 Sterne im Fokus

Cheops soll dabei insbesondere bei sehr hellen Sternen nach Transits suchen – eine Gruppe, die kaum im Fokus von Kepler stand. Etwa 300 bis 400 Sterne stehen laut Christopher Broeg von der Uni Bern auf der Liste. 3,5 Jahre sind dafür vorgesehen, so der Projektmanager der Cheops-Mission. Allerdings könnte das Teleskop auch noch länger arbeiten.

Bevor es soweit ist, muss Cheops noch einige Etappen absolvieren. Der Schütteltest ist eine davon. Dafür werden im Zuge einer Resonanzsuche zunächst die Frequenzen ermittelt, bei welchen Elemente des Instrumentes in Eigenschwingung geraten. Dann wird es für die Zeitdauer "durchgeschüttelt", während der die Rakete aktiv sein wird. Dabei wenden die Tester das auf der jeweiligen Rakete auftretende Frequenzspektrum an. Anschließend folgt eine erneute Resonanzsuche.

Danach legen die Tester die Diagramme der beiden Resonanzsuchen übereinander. Zeigen sich Abweichungen, so wissen sie, dass sich am Instrument etwas verändert hat, dass also etwas kaputtgegangen ist.

"Die Ingenieure und Konstrukteure werden ganz still während dem Test", sagt Daniel Schaedeli, Test-Ingenieur im Cheops-Team. Erst wenn klar sei, dass die Resonanzfrequenzen noch genauso aussehen wie vorher, entspannten sie sich. Kein Wunder, stecken doch mehrere Millionen Franken und jahrelange Entwicklungsarbeit in solchen hochkomplexen Geräten.

Back-End-Elektronik vom Grazer Institut für Weltraumforschung

Für Cheops wird es voraussichtlich im August soweit sein. Dann ist der Haupt-Schütteltest geplant. Bis dahin prüfen die Berner Forschenden und Ingenieure die frisch gelieferten Komponenten im Reinraum auf Herz und Nieren. Der Großteil der Optik stammt aus Italien, die Abschirmung aus Belgien und die Radiatoren aus Ungarn. Es fehlen noch die endgültige Back-End-Elektronik vom Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) und das Detektor-System aus Deutschland. Aktuell sind Vormodelle davon im Instrument integriert und werden getestet.

Ein weiterer Test, der Cheops bevorsteht: In einer Vakuumkammer müssen das Teleskop und sein Zubehör Vakuum und Temperaturschwankungen zwischen minus 30 und plus 50 Grad aushalten, ohne dass sich das Material verzieht.

Das Temperaturspektrum ist das "maximal erlaubte", das das Instrument unbeschadet überstehen muss. Dafür, dass es nicht noch kälter wird, sorgt die Plattform, auf die das Teleskop nächstes Jahr in Madrid installiert werden soll. Gefolgt von weiteren umfangreichen Tests.

Start in eineinhalb Jahren

Ende 2018 ist der Start mit einer Sojus-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou geplant. Dass es eine Sojus-Rakete sein wird, dürfte die Ingenieure beruhigen. Die sei am sanftesten beim Start, sagt Schaedeli. Die bei anderen Missionen zum Einsatz kommende Atlas-Rakete sei dagegen eher mit einem Geländewagen ohne Federung vergleichbar.

Wenn Cheops erst einmal im Orbit ist, 700 Kilometer über der Erdoberfläche und immer an der Tag-Nacht-Grenze, muss alles einwandfrei funktionieren. "Selbst das einfache Öffnen einer Klappe wird im All zu einer Herausforderung", erklärt Broeg. "Wir sind eine relativ kleine Mission. Wenn etwas schief geht, wird niemand eine Rakete hinterher schicken, um es zu reparieren." (APA, red, 26.6.2017)