Hanns-Christoph Nägerl forscht zu Quantenvielteilchensystemen bei extrem niedrigen Temperaturen.

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Als Hanns-Christoph Nägerl vergangene Woche nach einem längeren Flug in Frankfurt die Sendefunktion seines Mobiltelefons aktivierte, überschlugen sich die eintrudelnden Nachrichten. "Extrem überrascht" habe den Quantenphysiker, zu erfahren, mit dem höchsten Wissenschaftspreis Österreichs, dem Wittgensteinpreis, ausgezeichnet zu werden.

Generell ist Nägerl jedenfalls jemand, der Überraschungen sucht, anstatt sie zu meiden – zumindest wenn es um die Physik geht. "Neuland zu betreten, wo man nicht wissen kann, wohin das führen wird – das macht mir einfach Spaß", sagt der Experimentalphysiker. Seine Entscheidung, an sogenannten ultrakalten Quantenvielteilchensystemen zu forschen, sei folglich auch dem Versuch geschuldet, einen Kompromiss zu finden zwischen Kontrolle, nämlich über die Quantenteilchen, und ausreichender Komplexität, um stets auf Überraschungen zu stoßen.

Ultrakalt meint in diesem Fall den Bereich von wenigen Milliardstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt, der bei zirka -273,15 Grad Celsius liegt. Derart stark abgekühlte Teilchen zeigen kollektive Effekte, die durch die klassische Physik nicht zu erklären sind – es bedarf der quantenphysikalischen Beschreibung. Nägerl und sein Team nehmen Systeme mit vielen Teilchen ins Visier, daher sind die Abläufe zu komplex, um sie berechnen zu können; Experimente sind somit gefragt.

Den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Wittgensteinpreis will Nägerl hauptsächlich in Personal investieren. Für ein weiteres Experiment fehle in Innsbruck derzeit schlicht der Platz.

Nägerl hat sich schon früh für Physik interessiert – vielleicht Zufall, wie er meint, oder aber familiär bedingt: Nicht nur sein Vater ist Physiker, sondern auch seine beiden Brüder. Er studierte zunächst Physik und Mathematik in Göttingen, wo er 1967 geboren wurde, und wechselte 1995 für sein Doktorat nach Innsbruck, zusammen mit seinem Doktorvater Rainer Blatt, der damals an die dortige Uni berufen wurde. Nach einem zweijährigen Aufenthalt am California Institute of Technology (Caltech) kehrte Nägerl 2000 an die Uni Innsbruck zurück, wo er heute Professor ist. "In Innsbruck ist der Bär los, was die Quantenphysik angeht – wie an nur wenigen Orten weltweit", schwärmt Nägerl.

Seine Freizeit verbringt der dreifache Vater vorzugsweise mit seiner Familie, auf dem Snowboard in den Tiroler Bergen oder Salsa tanzend mit seiner Frau. (Tanja Traxler, 19.6.2017)