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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bei der Parlamentswahl am Sonntag laut Endergebnis eine klare absolute Mehrheit erzielt. Seine Partei La République en Marche (LRM) und die verbündete Zentrumspartei Modem kommen zusammen auf 350 Sitze in der Nationalversammlung – und damit deutlich über die für eine absolute Mehrheit notwendigen 289 Mandate.

Laut französischen Medien hat Macron den umstrittenen Wohnungsbauminister Richard Ferrand gebeten, den Fraktionsvorsitz von LRM zu übernehmen. Aus der Regierung würde Ferrand damit ausscheiden.

Das Parlament erhält jedenfalls ein neues Antlitz "fern vom früheren Modell ,Anzug und Krawatte'", wie sich der Radiosender France-Inter ausdrückte. Illustratives Beispiel ist der unkonventionelle Mathematikstar Cédric Villani, der im Großraum Paris gewählt wurde. Die Stierkämpferin Marie Sara verpasste die Wahl in der Camargue jedoch hauchdünn.

Frankreich hat sich auf einen Schlag politisch totalerneuert: 424 der insgesamt 577 Abgeordneten ziehen neu in den mit rotem Plüsch ausstaffierten Palais Bourbon ein. Viele sind jung – das Durchschnittsalter sinkt auf einen Schlag um zehn auf 44 Jahre – und politisch eher unerfahren. Der Frauenanteil steigt von 155 auf 223 "députées". Die Konservativen kamen auf 131 Abgeordnete, die Sozialisten auf 29. Die Franzosen setzten außerdem der konsensuellen Mittepartei LRM zwei laute und sehr politische Gegenpole ins parlamentarische Nest: Die Front-National-Chefin Marine Le Pen und der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon schafften erstmals überhaupt den Einzug.

"Sozialer Widerstand"

Le Pens Partei wird zwar mit bloß acht Sitzen nicht einmal die Fraktionsstärke haben; durch die medialen Sprachrohre wird sich die unterlegene Präsidentschaftskandidatin aber sehr wohl bemerkbar machen. Mélenchons "Unbeugsames Frankreich" (La France insoumise) kann mit 17 Abgeordneten sogar ohne die halbwegs verbündeten Kommunisten eine Fraktion bilden. Der 65-Jährige tönte: "Ich informiere die Regierung hiermit: Wir werden keinen Meter Boden aufgeben, ohne zu kämpfen." Gemünzt war das auf die geplante Arbeitsmarktreform, mit der Macron Entlassungen erleichtern und die Gewerkschaftsmacht einschränken will.

LRM soll der Regierung noch vor den Sommerferien eine Vollmacht erteilen, die Liberalisierung per Dekret umgehend in Kraft zu setzen. Le Pen wie Mélenchon planen dagegen, wie sie sagen, den "sozialen Widerstand". Mélenchon mobilisiert auch gegen die von Macron angekündigte Konsolidierung des Ausnahmerechts. Nach den Terroranschlägen von 2015 ausgerufen und bis heute in Kraft, soll das Notregime nach dem Willen des neuen Präsidenten im Herbst in ein normales Gesetz übergeführt werden. Polizeirazzien oder Hausarrest würden damit ohne richterliche Kontrolle möglich.

Ex-Premier Manuel Valls, der aus der Sozialistischen Partei ausgeschlossen werden soll, weil er sich Macrons LRM angeschlossen hatte (wo er allerdings im besten Fall geduldet ist), wurde in der Pariser Vorstadt Evry sehr knapp gewählt. Seine Gegnerin Farida Amrani von La France insoumise will aber Rekurs wegen Wahlbetrugs einlegen. Der Clash des Sozialliberalen Valls und der "Unbeugsamen" Amrani zeugt von der tiefen Spaltung der Linken. Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis musste noch am Sonntagabend den Hut nehmen. (Stefan Brändle aus Paris, 19.6.2017)