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Der Großteil der Kakaoproduzenten in Kamerun bewirtschaftet zwei bis fünf Hektar Fläche.

Foto: Reuters/Luc Gnago

Christopher Tankou beschäftigt sich mit dem Kakaoanbau in Kamerun.

Foto: Nora Laufer

Jeder Österreicher verspeist pro Jahr im Schnitt 8,5 Kilogramm Schokolade. Der dazu benötigte Kakao kommt größtenteils aus dem Westen Afrikas, unter anderem aus Kamerun. Dort kämpfen Bauern mit dem Klimawandel, niedrigen Kakaopreisen und jungen Menschen, die vom Land abwandern.

STANDARD: Kakaobauern erhalten bis zu sieben Prozent des Endpreises einer Tafel Schokolade. In den 1980er-Jahren waren es noch 16 Prozent. Was hat sich verändert?

Tankou: Das liegt größtenteils an der Liberalisierung der Handelsstrukturen. Bauern werden heute dazu gezwungen, Preise auf individuellem Level auszuverhandeln, früher hat diese Aufgabe die Regierung übernommen. Sie hat den Kakao eingesammelt und am Weltmarkt weiterverkauft. So konnten sie bessere Preise erzielen und den Bauern einen höheren Prozentsatz für ihre Produkte anbieten. Heute haben Bauern kaum mehr die Möglichkeit, gute Preise durchzusetzen.

STANDARD: Jeder Bauer muss einzeln mit den Käufern verhandeln?

Tankou: Nicht alle. In manchen Teilen Kameruns haben sich Kooperativen und Initiativgruppen gebildet, um den Kakao gemeinsam zu verkaufen. Diese Gruppen sind in der Lage, bessere Deals zu machen.

STANDARD: Der Preis für Kakao schwankt stark. Woran liegt das?

Tankou: Der internationale Markt ist in den 2000er-Jahren eingebrochen, seither hat er sich einigermaßen erholt. Das Problem ist, dass Käufer den Preis festlegen. Kakao kann nicht lange gelagert werden, deshalb sind Bauern gezwungen, ihre Produkte schnell zu verkaufen. Je länger sie den Kakao behalten, desto schlechter wird seine Qualität.

STANDARD: Wie ist eine durchschnittliche Kakaoplantage in Kamerun organisiert?

Tankou: Es sind kleine Familienunternehmen, die zwei bis fünf Hektar Land bewirtschaften. In einer Erntesaison können pro Hektar knapp 500 Kilogramm Kakao produziert werden.

STANDARD: Welche Rolle spielt Kinderarbeit auf Kakaoplantagen?

Tankou: Kinderarbeit ist in Kamerun kein sehr ernstes Problem. Wieso? Weil viele große Käufer vor Ort sind, um Bauern über die Nachteile von Kinderarbeit aufzuklären.

STANDARD: Aber es gibt Kinderarbeit?

Tankou: Traditionell werden Kinder mit auf Plantagen genommen, damit Eltern ihr Wissen weitergeben können. Sie lernen den Prozess, während sie aufwachsen, weil sie irgendwann die Plantagen erben werden. Es gibt natürlich Fälle, wo Familien ihre Kinder wegschicken mussten, um auf anderen Plantagen Geld zu verdienen, wo sie vielleicht ausgebeutet werden. Das passiert aber sehr selten.

STANDARD: In anderen Ländern, wie zum Beispiel in der Elfenbeinküste, hört man immer wieder von Kinderarbeit auf Kakaoplantagen. Was ist anders in Kamerun?

Tankou: Es gibt Kinderarbeit, aber wie gesagt: sehr selten. Die Menschen wurden sensibilisiert. Die meisten Käufer, vor allem die im Fairtrade-Bereich, erwarten, dass soziale Standards eingehalten werden. Nur dann werden die Betriebe zertifiziert.

STANDARD: Haben Frauen bei der Arbeit die gleichen Rechte wie Männer?

Tankou: Frauen können üblicherweise keinen Landbesitz erben. In Haushalten ist immer der Mann das Familienoberhaupt. Frauen müssen, wie alle anderen Familienmitglieder auch, in der Produktion mitarbeiten. Es gibt aber Ausnahmen: Wenn ein Ehemann stirbt und die Frau zur Alleinerzieherin wird, kann die Witwe die Leitung der Plantage übernehmen. Es gibt aber nur sehr wenige Fälle, in denen die Frauen das Land besitzen.

STANDARD: Wie viel verdienen Menschen auf Kakaoplantagen?

Tankou: Kakaobauern in Kamerun leben von einem US-Dollar pro Tag. Kameruner essen selbst fast keine Schokolade, nur ein Prozent bleibt im Land. Der Export entspricht also fast der Produktionsmenge. Die Bauern sind abhängig vom Kakao, um sich Lebensmittel zu besorgen. Wenn sie herausfinden, dass sie mit einem anderen Lebensmittel mehr verdienen können, werden sie nicht mehr Kakao anbauen.

STANDARD: Dennoch arbeiten Millionen Menschen auf Plantagen.

Tankou: Es werden weniger. Kakaobauern werden immer älter, junge Menschen wollen nicht mehr auf den Plantagen arbeiten. Für sie ist die Kakaoproduktion nicht attraktiv. Ländliche Regionen müssen attraktiver gemacht werden, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Der Ausbau der Infrastruktur, aber auch Bildungseinrichtungen auf dem Land sind wichtig, sonst wandern junge Menschen für das Studium in Städte ab. Wir brauchen junge Arbeitskräfte auf dem Land, die Alten können die Arbeit nicht mehr effizient ausführen.

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Die Kakaoproduktion fällt weltweit um ungefähr drei Prozent pro Jahr.
Foto: Reuters/Thierry Gouegnon

STANDARD: Gibt es beim Kakao unterschiedliche Qualitätsmerkmale?

Tankou: Die Qualität von unserem Kakao ist ziemlich hoch, weil wir keine Pestizide verwenden. Nicht weil die Bauern unbedingt biologisch produzieren möchten, sondern weil sie arm sind und sich die Pestizide nicht leisten können. Der Kakao in Kamerun hat einen hohen Fettanteil und eine gute Farbe, wenn er weiterverarbeitet wird. Man kann jedoch noch so gute Kakaobohnen produzieren, wenn sie aber nicht richtig fermentiert werden, beeinflusst das die Qualität des Endproduktes.

STANDARD: Welche Rolle spielt der Klimawandel im Kakaoanbau?

Tankou: Damit haben die Bauern viele Probleme. In den meisten Kakaoregionen haben wir lange Trockenperioden. Das bedeutet Stress für die Pflanzen und beeinträchtigt die Produktion. Dann folgt oft starker Regen, die Luft wird extrem feucht. Dadurch bilden sich Pilzkulturen auf dem Kakao. Die meisten Bauern sind zu arm, um sich Mittel gegen Pilze zu kaufen, und verlieren oft große Teile ihrer Ernte.

STANDARD: Wie kann die Kakaoproduktion in Kamerun sozial nachhaltiger gestaltet werden?

Tankou: Bauern müssen die Möglichkeit haben, einen Kredit aufzunehmen, um in eine hochqualitative Produktion investieren zu können. Sie brauchen gutes Pflanzenmaterial und Nährstoffe. Auch der Straßenausbau ist wichtig. Manche Bauern müssten ihre Produkte weit tragen und verkaufen sie deshalb ab Hof. Dort können sie aber keinen guten Preis machen. Wenn die Straßen ausgebaut wären, könnten Bauern auf Märkte fahren und bessere Angebote für ihre Produkte einholen.

STANDARD: Welche Erfahrung haben Sie mit Gütesiegeln gemacht?

Tankou: Die Gütesiegel haben alle unterschiedliche Qualitätskriterien. Die Qualität basiert meistens auf ein paar Grundprinzipien. Zum Beispiel, dass keine Pestizide verwendet werden. Sie werden an Kooperativen vergeben, deren Bauern sich an bestimmte Regeln halten müssen. Dafür bekommen sie ein Gütesiegel. Bio fragt zum Beispiel nur, wie weit die Produktion von konventioneller Landwirtschaft entfernt ist. Das sagt nichts über die Arbeitsbedingungen aus. Fairtrade beschäftigt sich auch mit den sozialen Umständen vor Ort. In Gegenden, wo Kinderarbeit stattfindet, muss in erster Linie darauf geachtet werden.

STANDARD: In wessen Verantwortung liegt es, die Arbeitsbedingungen zu verbessern?

Tankou: Innerhalb der Lieferkette steigen die Profite. Der Anteil, den Bauern bekommen, verändert sich aber nicht. Deshalb muss sich jeder in der Lieferkette bemühen. Wenn man Produktionsketten genauer unter die Lupe nehmen würde, sehen würde, wer wie viel profitiert, könnte man die Profite besser verteilen. Dadurch könnte das System stabiler gemacht werden. Die Produktion fällt weltweit um ungefähr drei Prozent pro Jahr. Menschen sollte das bewusst werden, damit Kakao weiter produziert wird. Weil ohne Kakao gibt es keine Schokolade. (Nora Laufer, 20.6.2017)