Bisher war der Gang an die Wiener Börse eine "Einbahnstraße", nun sieht die Regierungsvorlage für das BörseG 2018 die Möglichkeit eines Delistings vor.

Foto: Wiener Börse / Akos Stiller

Wien – Bisher war der Gang an die Wiener Börse eine "Einbahnstraße", zumindest was den Verbleib im Amtlichen Handel betrifft. Einmal gelistet, konnte eine börsennotierte Gesellschaft die Börse über keinen gesetzlich spezifisch dafür vorgesehenen Weg verlassen. Um dennoch ein sogenanntes Delisting zu bewirken, war Kreativität gefragt. Es mussten Umstände herbeigeführt werden, die als Konsequenz ex lege die Aufhebung der Börsennotierung zur Folge haben (kaltes Delisting).

Eine dieser Varianten – nämlich die Verschmelzung einer börsennotierten Gesellschaft auf eine nicht börsennotierte Tochtergesellschaft samt damit einhergehendem Delisting – wird derzeit vom Obersten Gerichtshof geprüft. Es wird mit Spannung erwartet, ob die diesbezüglich zustimmende Entscheidung der Vorinstanz bestätigt wird.

Möglicherweise wird dies angesichts des geplanten BörseG 2018 aber ohnehin bald obsolet. Das Gesetz soll insbesondere den Anlegerschutz verbessern und die Attraktivität des österreichischen Börsehandels steigern. Ob dies mit der soeben veröffentlichten Regierungsvorlage erreicht wird, ist teilweise fraglich.

Durch ein Delisting soll der "Anlegerschutz nicht gefährdet werden", heißt es im Entwurf. Dieses Ziel soll dann als erfüllt gelten, wenn innerhalb der letzten sechs Monate ein öffentliches Angebot im Sinne des Übernahmegesetzes an sämtliche Aktionäre gelegt wurde; damit soll jeder Aktionär die Möglichkeit haben, zu einem gesetzlich bestimmten Preis aus der Gesellschaft auszusteigen, bevor die Gesellschaft von der Börse genommen wird. Ein derartiges "Delisting-Angebot" soll aber wiederum dann nicht erforderlich sein, wenn eine Zweitnotierung an einem geregelten Markt eines anderen EWR-Mitgliedstaats besteht.

Zusätzliche Preisuntergrenze

Gegenüber einem "normalen" Übernahmeangebot sollen für ein Delisting-Angebot zusätzliche Preisuntergrenzen gelten. Dabei soll auch der durchschnittliche Börsenkurs der letzten fünf Börsetage vor Bekanntgabe der Angebotsabsicht berücksichtigt werden, was für den österreichischen Aktienmarkt allerdings nicht immer repräsentativ sein wird.

Liegt der ermittelte Preis aber "offensichtlich" unter dem "tatsächlichen Wert des Unternehmens", ist der Preis "angemessen" festzulegen. Jahrelange Gerichtsverfahren über die Angemessenheit des Preises sind damit vorprogrammiert.

Eingeschränkt handelbar

Was bedeutet dies nun konkret für den betroffenen Aktionär? Schlägt er das (allfällige) Delisting-Angebot aus, könnte er sich als Aktionär einer nicht börsennotierten Gesellschaft wiederfinden. Solange keine starken Sekundärmärkte bestehen, wird damit die Handelbarkeit der Aktie in der Regel eingeschränkt sein. Auch könnte es zu einem gewissen Bewertungsabschlag kommen, insbesondere weil viele institutionelle Investoren nur an börsennotierten Gesellschaften beteiligt sein dürfen und im Falle eines Delistings verkaufen müssten.

Das öffentliche Interesse am Regelungsvorstoß war schon vor der Veröffentlichung der Regierungsvorlage groß. Kritisiert wurde vor allem die Vermeidbarkeit des Delisting-Angebots, sofern ein EWR-Zweitlisting besteht, und die anfangs avisierte Absicht, dass der Delisting-Prozess bereits mit einer einfachen Hauptversammlungsmehrheit in Gang gesetzt werden kann. In der Vorlage wurde diese Antrittsschwelle auf eine Dreiviertelmehrheit angehoben. Diese Reglelung ist für das österreichische Aktienrecht in der Gesamtschau deutlich angemessener.

Es werden Lücken bleiben

Es bleibt abzuwarten, ob Österreich tatsächlich ein relativ austrittsfreundliches Delisting-Gesetz bekommt oder ob die Novelle im Zuge des Gesetzgebungsprozesses noch abgewandelt wird. Offen bleibt auch, ob das Vorhaben angesichts der angekündigten Neuwahlen tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Für den kreativen Wirtschaftsanwalt bleibt die Gewissheit, dass auch dieses neue Gesetz nicht frei von Unsicherheiten oder Lücken sein wird, die genutzt werden wollen. (Nidal Karaman, 19.6.2017)