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Frankreichs Justizminister François Bayrou (rechts) steht im Zentrum einer Affäre um Scheinbeschäftigung – und wirft damit kein gutes Licht auf den neuen Präsidenten Emmanuel Macron (links) und sein gutgemeintes Moralisierungsgesetz.

Foto: REUTERS/Francois Mori

Emmanuel Macron hat kein Glück mit seinen Ministern. Vergangene Woche wurde bekannt, dass der Städtebauminister Richard Ferrand – einer der treuesten Wegbegleiter des neuen Präsidenten – bei einem Immobiliengeschäft seine Ehefrau teils zulasten der Steuerzahler begünstigt haben soll. Dieser Fall überschattet die laufende Kampagne der Parlamentswahl umso mehr, als Ferrand in der Bretagne selber antritt. Macron hat nun als Prinzip festgelegt, dass ein Minister zurückzutreten hätte, falls er am kommenden Sonntag kandidiert und nicht gewählt wird. Damit hofft sich der Staatschef des Falls Ferrand elegant zu entledigen. Die Justiz hat in der Zwischenzeit eine Voruntersuchung gegen Ferrand eingeleitet.

Bevor die Ferrand-Affäre ausgestanden ist, kommt bereits ein neues Regierungsmitglied in die Bredouille – und zwar ausgerechnet Justizminister François Bayrou. Der politische Verbündete Macrons präsentierte am Mittwoch ein Gesetz zur "Moralisierung der Politik" oder, wie es neuerdings heißt, zum "Vertrauen in die Politik". Dabei handelt es sich um ein Kernthema der letzten Präsidentschaftswahl: Der chancenreiche konservative Kandidat François Fillon war dabei über die angebliche Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau Penelope als Parlamentsassistentin gestolpert; das machte die Bahn frei für Macron.

Antwort auf "Penelope-Gate"

Das Gesetzesprojekt ist Macrons direkte Antwort auf "Penelope-Gate". Es untersagt die Beschäftigung von Familienangehörigen als politischen Assistenten. Ferrand hatte wie Fillon seinen eigenen Sohn in einer solchen Funktion angestellt und mit öffentlichen Geldern entlohnt. Abgeschafft wird auch die "réserve parlementaire", ein Geldbetrag, mit dem Abgeordnete in ihren Wahlkreisen beliebige Personen und Vereine "unterstützen" können. Korruption wird nun mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft. Entlohnte Beratertätigkeit wird Politikern untersagt; dafür wird die Parteienfinanzierung reglementiert. Zugelassen sind nur noch Geldgeber im EU-Raum. Das ist ungesagt darauf auslegt, die russischen Geldströme zum Front National zu kappen.

All diese Vorschläge wurden am Mittwoch von Bayrou in der wöchentlichen Regierungssitzung zuhanden des Parlaments vorgestellt. Die Medien berichteten indes viel breiter über eine neue Finanzaffäre – die verflixterweise gerade Bayrou als Vorsteher der Mittepartei Modem betrifft. Das Enthüllungsblatt "Le Canard Enchaîné" berichtete am Mittwoch, Macrons Europaministerin Marielle de Sarnez, ebenfalls ein Modem-Mitglied, habe im Jahr 2010 als Europaabgeordnete eine gewisse Karine A. als Parlamentsassistentin angestellt; in Wahrheit habe diese junge Frau aber als Sondersekretärin von François Bayrou gearbeitet. Dieser habe also sein Sekretariat durch öffentliche Mittel des Europaparlaments finanziert. Das entspräche dem Tatbestand der Veruntreuung öffentlicher Gelder.

Offenbar systematische Praktiken

In der Sache ist es der gleiche Vorwurf, der die Ermittler im Jänner gegen Fillon auf den Plan gerufen hatte. Umso ironischer wirkt es, dass Bayrou das Moralisierungsgesetz als Reaktion auf die Fillon-Affäre ausgearbeitet hat. Zumal die Finanzpraktiken im Modem offenbar System hatten. Laut Radio France berichtete ein anderer Parlamentsassistent, er sei vom Modem-Europarlamentarier Jean-Luc Bennahmias seinerseits angestellt und entlohnt worden, ohne jemals für ihn gearbeitet zu haben.

Bayrou verteidigt sich höchst ungeschickt. Er rief den Zuständigen bei Radio France an, um ihm mit einer Klage wegen "belästigender" Falschinformation zu drohen. Mehrere Redaktionen prangern den Druckversuch als Verletzung der Pressefreiheit an. Bayrou verteidigt sich, er habe nur "als Bürger" zum Telefon gegriffen. Darauf wies ihn Premierminister Edouard Philippe zurecht, als Justizminister sei man kein normaler Bürger mehr. Bayrou konterte gegen seinen eigenen Vorgesetzten, er lasse sich nicht den Mund verbieten.

Inzwischen vermelden Elysée-Insider, Macron denke bereits daran, den erst seit einem Monat amtierenden Justizminister zu ersetzen. "Der Präsident mag das nicht", umschrieb ein Berater Macrons Reaktion auf Bayrous Verhalten. Nicht ganz unerwartet zieht die Fillon-Affäre immer mehr Kreise: Alle Beteiligten wussten und wissen, dass die Scheinbeschäftigung parlamentarischer Assistenten in Frankreich sehr verbreitet ist. Macron hätte nicht gedacht, dass sein gutgemeintes Moralisierungsgesetz wie ein Bumerang auf seine eigene Regierung zurückfallen könnte. Und schon gar nicht mitten im Parlamentswahlkampf. (Stefan Brändle aus Paris, 14.6.2017)