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Immer mehr deutsche Städte nehmen den Diesel ins Visier.

Foto: AP/Christoph Schmidt

Hamburg/Frankfurt – Fahrer von Diesel-Autos müssen zumindest in Deutschland mit Fahrverboten in immer mehr Großstädten rechnen: Nach Stuttgart und Hamburg erwägt nun auch München entsprechende Maßnahmen. "So sehr ich mich freuen würde, wenn es ohne solche Verbote ginge, so wenig sehe ich, wie wir künftig weiter ohne Sperrungen auskommen werden", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwochausgabe). Abgas-Messungen hätten auf vielen Straßen der bayerischen Landeshauptstadt erschreckende Ergebnisse geliefert. Die Zeitung berichtete, dass der von der Europäischen Union zugelassene Mittelwert für Stickstoffdioxid nicht nur auf den großen Ring- und Einfallstraßen überschritten werde.

BMW, dessen Konzernsitz in München liegt, kritisierte die Fahrverbote. Es gebe intelligentere Maßnahmen als Verkehrsbeschränkungen. Dazu gehöre etwa der Ausbau der Elektromobilität. "Wenn wir die Luftqualität in den Städten verbessern wollen, dann ist es besser, Anreize für nachhaltige Mobilität zu schaffen, als Fahrverbote auszusprechen", sagte ein Firmensprecher. Auch der Branchenverband VDA lehnt Fahrverbote ab. Stattdessen könnte ein gleichmäßiger Verkehrsfluss mit der grünen Welle die Emissionen um fast ein Drittel senken. Auch sollen sich Verkehrsbetriebe und Taxiunternehmen neue Busse und Autos anschaffen, rät der VDA. Die Autokonzerne argumentieren damit, dass sie den Umschwung zur Elektromobilität ohne die Erlöse aus dem Verkauf von Dieselautos nicht schaffen könnten.

Konsumenten verunsichert

Die Hersteller bekommen die Verunsicherung der Verbraucher wegen der Diskussion über Fahrverbote seit Monaten in sinkenden Verkaufszahlen von Autos mit Selbstzünder zu spüren. Der Dieselanteil an den Neuzulassungen schrumpfte in Deutschland zuletzt auf 40,4 Prozent. Hierzulande denken die Grünen über Umweltzonen in Wien nach, die wohl ebenfalls Dieselfahrer treffen würden. Der Rückgang beim Diesel ist dementsprechend schleichender. Rund die Hälfte aller 2017 neu zugelassenen Autos fährt mit Diesel, auch wenn die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig sind (minus 2,6 Prozent).

In der deutschen Auto-Branche schrillen jedenfalls die Alarmglocken. Denn die Deutsche Umwelthilfe hat gegen die Luftreinhaltepläne von mehr als zwei Dutzend Städten vor Verwaltungsgerichten geklagt, weil auch dort die Grenzwerte für giftiges Stickoxid nicht eingehalten werden. München will der Zeitung zufolge die modernsten Dieselautos mit der Norm Euro-6 vom Verbot ausnehmen. Die DUH kündigte an, im Rechtsstreit mit Bayern auf einen Bann auch dieser Fahrzeuge zu dringen.

Düsseldorf hat eine Entscheidung darüber, ob Städte Dieselfahrverbote verhängen können, dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig vorgelegt. Ein Termin für eine Entscheidung stehe noch nicht fest, sagte eine Gerichtssprecherin. CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen, die demnächst regieren, hatten sich im Wahlkampf gegen Fahrverbote ausgesprochen.

Was für die Menschen in Ballungsräumen nach Ansicht von Umweltschützern ein Segen ist, wächst sich für die Autoindustrie zu einem immer größeren Problem aus. Denn sie setzt auf den Dieselantrieb, um die schärferen Klimavorgaben zu erfüllen. Die Branche argumentiert, durch den vergleichsweise niedrigeren Spritverbrauch stießen Diesel-Autos weniger klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) aus als Benzinautos.

Vorreiter Stuttgart

Am weitesten fortgeschritten sind die Pläne für ein Diesel-Fahrverbot in Stuttgart. Dessen Bevölkerung ist wegen der Lage der Stadt im Talkessel besonders häufig Belastungen der Luft ausgesetzt. Ab 2018 sollen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt an Tagen mit hoher Feinstaub-Belastung Beschränkungen für Fahrzeuge gelten, die die Euro-6-Norm nicht einhalten.

Mit den Einschränkungen will das von den Grünen regierte Baden-Württemberg den Druck auf die Autoindustrie erhöhen, ältere Dieselwagen nach Euro-5-Norm nachzurüsten. Die Industrie hat in Verhandlungen mit dem Land eine Nachrüstlösung vorgeschlagen, mit der ein Fahrverbot überflüssig werden könnte. Die Umweltminister der anderen Länder nahmen den Ball auf und fordern ebenfalls, Euro-5-Fahrzeuge sauberer zu machen. Bundesregierung und Autoindustrie sollen sich darüber verständigen. Offen ist, ob die Autohersteller die Kosten dafür übernehmen würden oder die Verbraucher beteiligt werden.

"Diffamierungskampagne"

Das deutsche Verkehrsministerium verschärft unterdessen den Ton. Mit Blick auf entsprechende Forderungen für München warf Staatssekretär Norbert Barthle der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vor, mitverantwortlich für eine "Diffamierungskampagne" gegen den Dieselmotor zu sein.

"Als nächstes ist dann der Benziner an der Reihe", sagte der CDU-Politiker der "Heilbronner Stimme" (Freitag). Dabei sei klar, dass die für die Autoindustrie verbindlichen EU-Klimaziele ohne den Diesel nicht erreichbar seien. Anstelle von Verboten seien Verbesserungen des Nahverkehrs sowie Anreize gefragt. (Reuters/red, 16.6.2017)