Chicago – Obwohl das Schelfgebiet vor der südkalifornischen Küste zu den meist- und bestuntersuchten Meeresregionen der Welt zählt, haben Forscher erst jetzt festgestellt, dass das Ökosystem am dortigen Meeresboden in seiner heutigen Form noch sehr jung ist. Noch vor 200 Jahren habe es völlig anders ausgesehen, berichten Forscher der Universität Chicago und der Slowakischen Akademie der Wissenschaften.

Paläontologen der beiden Institutionen hatten im Schlamm am Meeresgrund nach den Schalen von Weichtieren gegraben und zudem Museumsbestände durchforstet. Dabei stellten sie fest, dass es in diesem Gebiet zu einem grundlegenden Wandel gekommen sein muss: Über Jahrtausende hinweg bis ins 19. Jahrhundert dominierten dort Jakobsmuscheln und Armfüßer (Brachiopoda) – äußerlich an Muscheln erinnernde Tiere, die einen eigenen Stamm bilden, der mit den Weichtieren nur mittelbar verwandt ist.

Verschlammung

Im 19. Jahrhundert kam es dann zum Bruch: Die bisherigen Platzhirsche verschwanden, an ihre Stelle traten schlammbewohnende Muscheln und andere Weichtiere, Krebse und Seegurken. Schlamm ist dabei das zentrale Wort, denn der prägt seitdem den Meeresboden in der Region und hat diejenigen Spezies vergrault, für die ein solcher Untergrund nicht geeignet ist.

Der Wechsel ereignete sich vor den bekannten Öko-Faktoren unserer Tage wie Klimawandel, extremer Zersiedelung und Ackerbau in industriellem Maßstab. Und dennoch war offenbar auch hier der Mensch die Ursache: Laut dem Team um Susan Kidwell ist der Schlamm am Meeresboden eine Folge der im 19. Jahrhunderte nahe der Küste aufgekommenen Viehzucht. Erodierender Boden und Fäkalien trugen eine große Menge an Sedimenten ins Meer, womit die lange dort ansässig gewesenen Spezies nicht mehr zurechtkamen. (red, 15. 6. 2017)