Linz – Der oberösterreichische Landtag beschließt am Donnerstag die Deckelung der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS). Das Modell sieht eine Obergrenze von 1.512 Euro pro Haushalt vor, allerdings wird Dazuverdienen leichter. Damit will die ÖVP-FPÖ-Landesregierung den Abstand zwischen Erwerbs- und Sozialeinkommen vergrößern. Kritiker sehen eine unsoziale Maßnahme ohne nennenswertes Einsparungspotenzial. An zusätzlichem Verwaltungsaufwand für den Vollzug werden laut Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) 8,5 zusätzliche Dienstposten bei den Bezirkshauptmannschaften nötig sein.

Die Regelung, die im Oktober wirksam werden soll, sieht einen Deckel bei 1.512 Euro pro Haushalt vor. Ausnahmen gelten für Pflege- und Rehageldbezieher, Arbeitsunfähige, Menschen mit Beeinträchtigung, Pflegende und Personen mit Kleinkindern. Geringverdiener, die ihr Einkommen mit der BMS aufstocken, bekommen zwar auch nur maximal 1.512 Euro, können aber bis zum derzeitigen Mindeststandard dazuverdienen – also beispielsweise bei einem aus zwei Erwachsenen und drei Kindern bestehenden Haushalt bis zu einem Gesamtbetrag von 1.934,20 Euro. Erst wenn die Summe aus BMS und Arbeitseinkommen diese zweite Grenze überschreitet, wird die Sozialleistung entsprechend gekürzt.

Zweifel an Einsparungen

Für Stelzer ist das Ziel, dass der Abstand zwischen Arbeitseinkommen und Sozialleistungen "groß genug" wird. Dass die Maßnahme auch eine Einsparung bringen könne, "liegt auf der Hand, die kann ich aber aus aktueller Sicht nicht genau beziffern und ist auch nicht der Hauptgrund für die Neuregelung", sagte er am Freitag im Landtag auf eine Anfrage der Grünen.

"Das entspricht Mehrkosten von einer halben Million Euro", erwartet der grüne Abgeordnete Stefan Kaineder. Sein Fazit: "Wenn es überhaupt Einsparungen gibt, werden diese durch die Mehrkosten aufgefressen. Man zahlt mehr dafür, dass man Menschen etwas wegnimmt." Der SPÖ-Abgeordnete Peter Binder sieht zudem eine "Abkehr von der Deregulierung", die sich ÖVP und FPÖ auf die Fahnen geheftet haben.

2015 waren 157 Haushalte betroffen

Derzeit beziehen in Oberösterreich rund 14.000 Personen Mindestsicherung. FPÖ-Klubchef Herwig Mahr rechnet damit, dass bei etwa 1.000 Haushalten überprüft werden muss, ob der Deckel für sie schlagend wird. Wie viele es treffen wird, ist unklar. Laut einer Anfragebeantwortung des Sozialressorts bezogen im Jahr 2015 nur 157 Haushalte mehr als 1.500 Euro.

Kritiker befürchten, dass vor allem Familien mit mehreren Kindern betroffen sein werden. "Die Landespolitik nimmt sehenden Auges in Kauf, dass noch mehr einkommensschwache Eltern mit ihren Kindern in die Armut abrutschen", sagte Arbeiterkammer-Präsident Johann Kalliauer. Caritas-Direktor Franz Kehrer würde sich wünschen, "dass die Entschlusskraft und Geschwindigkeit, die für diesen Beschluss von den Regierungsparteien an den Tag gelegt wird, auch bei Dingen Anwendung findet, die den Menschen unter den Nägeln brennen – wie zum Beispiel die Schaffung von leistbarem Wohnraum".

"Statt die Kinder speziell zu fördern und sie zu befähigen, ihrem sozialen Milieu zu entkommen, wird der Deckel draufgehalten", erklärte das Armutsnetzwerk OÖ und spricht von einem "Chancenvernichtungsprogramm". Die Armutskonferenz verweist auf Studien der Universität Oxford, wonach die Streichung der Wohnbeihilfe in England zu einem zehnprozentigen Anstieg psychischer Probleme bei Personen in Haushalten mit niedrigen Einkommen geführt hat. (APA, 8.6.2017)