Experten vergleichen die Medikation mit einem Basargeschäft.

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Linz – Es gibt nur wenige schwere Krankheiten, die tatsächlich heilbar sind. Auf der medizinischen "Habenseite" zu verbuchen ist da Hepatitis C. Was vor wenigen Jahrzehnten noch unmöglich war, ist heute Realität: Die einst lebensbedrohliche Krankheit kann zu beinahe 100 Prozent geheilt werden.

Geändert hat der medizinische Fortschritt aber nichts an der Kritik der Fachärzte. Anlässlich der derzeit in Linz laufenden 50. Jahrestagung der Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) sprachen gleich zum Auftakt die Experten frei von der Leber weg über aktuell in Österreich bestehende Behandlungsprobleme.

Keine Verteilungsgerechtigkeit

Einer der Kritikpunkt ist, dass die durchwegs teuren Medikamente nicht allen betroffenen Patienten zugutekommen. In Österreich können derzeit alle Patienten mit Hepatitis C vom Genotyp 1 und 4 mit den neuen Arzneimitteln auf Kassenkosten behandelt werden. Bei Vorliegen einer Hepatitis C vom Genotyp 2 oder 3 erfolgt die Erstattung ab einem Lebervernarbungsgrad des Stadiums II (Fibrose).

"Bei gut 25 Prozent der Erkrankten müssen wir also abwarten, bis sich der Krankheitszustand verschlechtert, ehe wir mit einer Therapie beginnen können. Das ist ein unerträglicher Zustand. Das ist unmenschlich. In der Zeit, als wir Heilungsraten von 50 Prozent hatten, gab es keine Restriktionen. Als wir 70 Prozent der Patienten heilen konnten, gab es keine Restriktionen. Jetzt, wo wir alle heilen können, gibt es eine Restriktion", kritisiert der Wiener Hepatologe und Pionier auf diesem Gebiet, Peter Ferenci.

Seit dem Jahr 2013 stehen für die Behandlung von Hepatitis C Arzneimittel in Tablettenform zur Verfügung. Bei den Wirkstoffen handelt es sich um Protease-, Polymerase- oder sogenannte NS5A-Replikationskomplex-Inhibitoren, die in Kombination verabreicht werden. Früher wurde mit einer Kombinationstherapie des Wirkstoffs Ribavirin und injizierbarem Interferon alpha behandelt. Die Heilungsraten lagen bei rund 70 Prozent, Betroffene hatte vor allem mit massiven Nebenwirkungen zu kämpfen.

Ärzte kritisieren "Medikamentenbasar"

Kritisiert wird von den Medizinern auch die Vergabepolitik des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger. Während etwa bei Hepatitis B die Behandlungskosten von den Krankenkassen refundiert werden und der Arzt das jeweils beste Medikament für Patienten verschreiben kann, liegt die Theapiekompetenz bei Hepatitis C nicht zwingend beim Arzt. Ferenci: "Die Situation gleicht einem Basar. Ärzte müssen sich einem Medikamentendiktat fügen und können nicht das für den individuellen Patienten am besten geeignete Medikament verschreiben."

Das führe zu "kaum nachvollziehbaren Kuriositäten". Ferenci: "Im April durften wir nur Medikament A der Firma X verschreiben, Anfang Mai dann plötzlich nur das Medikament B der Firma Y verwenden. Das Ganze ist letztlich ein Basargeschäft. Da geht es zuerst ums Geld und dann erst um das Wohl des Patienten."

Weiters sei kaum nachvollziehbar, warum die Medikamente nur von ausgewählten Spitalsabteilungen (27 in Österreich) für eine ambulante Therapie verschrieben werden dürfen. "Eigentlich gibt es genug niedergelassene Internisten mit ausgezeichneten Fachkenntnissen. Die Patienten müssen mit dem bestehenden System Wartezeiten von bis zu einem halben Jahr in Kauf nehmen."

Screening in Suchtberatungsstellen

In Oberösterreich geht man derzeit neue Wege, um die Diagnoserate bei Risikopatienten anzuheben. Ärzte des Ordensklinikums Linz Elisabethinen haben ehrenamtlich ein spezielles Pilotprojekt gestartet: Mehrmals wurden von den Ärzten zwei Suchtberatungstellen in Linz besucht und Freiwillige mit Schleimhautschnelltests auf Hepatits C getestet. "Wir haben bei sechs Besuchen 30 Personen getestet – 22 davon positiv. Bei 18 Personen wurde letztlich eine Hepatitis-C-Erkrankungen diagnostiziert", schildert Projektleiterin Stephanie Hametner. Geplant sei nun eine Ausweitung des Pilotprojekts. (Markus Rohrhofer, 7.6.2017)