Hamamness ist ein 140 Quadratmeter großer, aus drei Kuppeln bestehender Raum.

Foto: Standard/Corn

Wien – "Hamamness" ist als Programmschwerpunkt der Wiener Festwochen ein Teil der "Akademie des Verlernens". Es geht darum, festgefahrene Denkweisen an der Garderobe abzugeben und später dann mit einem extragroben Waschlappen abzustreifen. Drinnen im Hamam bei 45 Grad, orientalischer Musik und farblich wechselndem Licht gilt es, die Grenzen zwischen Kunst, Performerin und Publikum – synchron zum eigenen Körper – aufzuweichen. Man ist aufgefordert, aktiv am Hamam-Prozess mitzuwirken, sich einzubringen, um am Ende einer möglichst "guten Show" beigewohnt zu haben. Selber machen! Frische tanken!

Queeres Potenzial im Koran

Theoretische Diskurse in künstlerische Praxis zu transportieren, das ist das Spezialgebiet von Kuratorin Nuray Demir, die die verschiedenen Programmpunkte der "Hamamness" entwickelt hat (eine Produktion von Kampnagel Hamburg). Beim aktuellen "Gender Jihad" sind die Besucherinnen (Zutritt nur für Frauen und Femmes) Teil einer anti-patriarchalen "Performance", bei der muslimische Feministinnen angekündigt waren, um über Frauen im Islam oder schwarze Musliminnen zu referieren. Eine Besucherin meinte sogar, es würde auch das "queere Potenzial im Koran" erforscht werden.

Bei meinem 140-minütigen Aufenthalt im Hamam am Freitagabend tauchten allerdings keine Vortragenden auf. Bis 20 Uhr 20 herrschte heiterer Hamam-Betrieb. Nach einem Tee im Ruheraum, der einen den Stress von draußen vergessen lässt, ging es weiter in die Waschräume mit allen notwendigen Utensilien. An orientalischen Brunnen schöpfte man Wasser, um sich oder die Freundin (oder unbekannte Besucherinnen) zu schrubben. In kleinen Gruppen legte man Hand aneinander an, es wurde viel gelacht und geredet. Auf Steinliegen gab das Hamam-Personal professionelle Behandlungen (Waschung, Massage).

Kleiner Dialog zum Gender Jihad

Meine Natir (Bademeisterin) hieß Nora, kam aus Marokko und war überaus geübt darin, einen nassen, eingeseiften Leinensack mit Luft zu füllen und dann mit diesem Ball den Körper einzuschäumen. Umdrehen, kalte Schüttung, fertig. Mindestens 30 Frauen hat sie am Vortag behandelt und dabei auch alte Kundinnen wiedergetroffen vom Wiener Hamam "Aux Gazelles", wo sie allerdings kündigen musste, da sie sich daheim um ihr autistisches Kind kümmert. – Ein kleiner Dialog, der gut zum "Gender Jihad" passte.

Auf einem geheizten Steinsockel fläzt man dann noch rum, trocknet die Haare oder gibt dem schon schwachen Kreislauf nach. Später wieder draußen im Ruheraum (Wasser trinken nicht vergessen) tanzt plötzlich eine Frau mit einem "Kleid" aus aufgeklebten Plastikwürsten durch die auf den Perserteppichen knotzenden Besucherinnen. Das Plastik abzustreifen gelingt ihr nicht, wollte sie das überhaupt? Sie tanzt nach einigen Runden wieder weg, einige gehen dann zur Massage. Einen Zeitplan gibt es nicht, vermutlich aber ist es ratsam, später zu kommen und später zu gehen. (Margarete Affenzeller, 3. 6. 2017)