Bisher war Audi in Deutschland keine illegale Abschalteinrichtung nachgewiesen worden.

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Wolfsburg/Ingolstadt – Die VW-Tochter Audi gerät im Abgasskandal stark unter Druck. Der Autoproduzent habe eine "unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut", sagte der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt am Donnerstag. Die Software habe bewirkt, dass erkannt wurde, wenn das Auto auf einem Prüfstand war – dann wurden die Abgasreinigungssysteme eingeschaltet.

Die Staatsanwaltschaft München weitet nun ihre Ermittlungen gegen Audi aus. Eingeschlossen seien jetzt auch Fahrzeugverkäufe in Deutschland und Europa, nicht nur wie bisher in den USA, sagte ein Sprecher am Freitag.

Bisher war Audi in Deutschland keine illegale Abschalteinrichtung nachgewiesen worden. Audi teilte mit: "Bei jüngsten Analysen (...) zeigten sich in bestimmten Situationen NOx-Überschreitungen zwischen 20 und 100 Prozent des Grenzwerts." NOx bezeichnet gesundheitsgefährdendes Stickoxid. "Grund ist, dass die Motordrehzahl in manchen Bereichen ungünstig von der Getriebesoftware beeinflusst wird", teilte Audi mit. Das Unternehmen entschuldigte sich für die "Unannehmlichkeiten" und betonte, es arbeite eng mit den Behörden zusammen.

Rückruf ab Juli

Der Rückruf der rund 24.000 betroffenen Fahrzeuge beginne voraussichtlich im Juli, gab Audi bekannt. Davon seien 14.000 Autos in Deutschland zugelassen, der Rest in anderen europäischen Ländern. VW müsse bis zum 12. Juni Lösungsvorschläge zur Umrüstung übermitteln, kündigte Dobrindt an. Er habe bereits mit VW-Chef Matthias Müller gesprochen.

"Audi wird auch weiterhin vollumfänglich mit den Behörden und dem Kraftfahrtbundesamt zusammenarbeiten und entschuldigt sich bei seinen Kunden für die Unannehmlichkeiten und setzt alles daran, die gefundenen Auffälligkeiten so schnell als möglich zu korrigieren", erklärte das Unternehmen.

Dobrindt kündigte an, dass nun weitere Fahrzeuge des VW-Konzerns mit ähnlichen Motoren untersucht werden sollen. Welche Modelle, werde derzeit im Ministerium besprochen. Es sei vereinbart worden, dass für alles, was in den Konzernmarken auffällig wird, auch der Konzern die Verantwortung trägt.

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte im VW-Konzern war im September 2015 ans Licht gekommen. In den USA hatte VW deswegen Milliarden zahlen müssen. In Europa und Deutschland ist VW aber der Auffassung, dass Abschalteinrichtungen in seinen Dieselmotoren gar nicht illegal gewesen sind.

Baujahre 2009 bis 2013 betroffen

"Gestern sind Auffälligkeiten bei Fahrzeugen der Modellreihe A8 und A7 mit V6- und V8-Dieselmotoren erkannt geworden", sagte Dobrindt. Die betroffenen Fahrzeuge mit Motoren nach Abgasnorm EU5 seien zwischen 2009 und 2013 gebaut worden.

"Es handelt sich um eine sogenannte Lenkwinkel-Erkennung", sagte Dobrindt. Die Abschalteinrichtung nehme wahr, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand stehe. Also: Wird das Lenkrad nicht bewegt, arbeitet die Abgasreinigung wie vorgeschrieben. Sobald das Lenkrad mehr als 15 Grad eingeschlagen wird, erhöht sich der Ausstoß von gesundheitsschädigendem Stickoxid (NOx).

Die Mitarbeiter von Volkswagen hätten diese Situation auch erkannt und sofort kooperativ mit den KBA-Fachleuten gesprochen. "Man kann davon ausgehen, dass dieses kooperative Verhalten auch weiterhin bei der Aufarbeitung dieser Situation vorhanden ist", sagte Dobrindt. "Klar ist, dass die Fahrzeuge nicht in dem Zustand bleiben können – und deshalb auch der verpflichtende Rückruf."

"Scheibchenweise" Aufklärung

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warf Dobrindt vor, den Abgasskandal nur "scheibchenweise" aufzuklären. "Vollständige Aufklärung und Konsequenzen auch bald zwei Jahre nach dem Bekanntwerden sind bei Dobrindt Fehlanzeige", sagte Krischer. Er verwies auf Razzien bei Daimler vor gut einer Woche, "und jeder fragt sich, was als Nächstes kommt".

Audi und VW hatten bereits in einem milliardenschweren Vergleich mit dem US-Justizministerium eingeräumt, dass sie in den USA rund 83.000 Autos mit Audi-Dieselmotoren und einer dort illegalen Software verkauft hatten, die niedrigere Abgaswerte angibt. Die Verfahren hatten Audi im vergangenen Jahr 1,86 Milliarden Euro gekostet.

Audi-Chef Rupert Stadler sagte bei der Jahrespressekonferenz im März: "Als Konsequenz aus der Dieselaffäre stellen wir bei Audi alles auf den Prüfstand." Die Aufarbeitung sei "noch lange nicht abgeschlossen", aber das Unternehmen tue alles, "dass so etwas wie die Dieselaffäre bei uns nie wieder passiert".

Während der Jahrespressekonferenz hatten mehr als 100 Polizisten und Staatsanwälte die Audi-Zentrale, weitere Standorte und Wohnungen von Mitarbeitern durchsucht. Die Staatsanwaltschaft hatte "ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung" eingeleitet. Mit den Aktionen soll geklärt werden, wer an der Verwendung der Abgassoftware im VW-Konzern und an Falschangaben beteiligt war.

Dobrindt hatte kurz nach Beginn des VW-Abgasskandals im September 2015 die "Untersuchungskommission Volkswagen" eingesetzt. Fachleute des Verkehrsministeriums und des Kraftfahrt-Bundesamts, wissenschaftlich begleitet von dem Münchner Professor Georg Wachtmeister, bewerteten dabei die Auswirkungen des Abgasskandals und sollten prüfen, ob auch für Dieselfahrzeuge anderer Hersteller unzulässige Abgas-Abschalteinrichtungen verwendet wurden.

Im Abgasskandal geht es um weltweit rund elf Millionen Fahrzeuge der VW-Gruppe. Darunter sind auch Wagen von Audi, Škoda und Seat. In Deutschland gibt es rund 2,6 Millionen Autofahrer mit einem manipulierten Diesel des Konzerns, davon sind inzwischen knapp 1,75 Millionen Wagen umgerüstet. (APA, dpa, 1.6.2017)