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Gegen Minister Richard Ferrand wurden Vorermittlungen eingeleitet. Kurz vor den Parlamentswahlen ist der Imageschaden groß.

Foto: Reuters / Charles Platiau

Regierungssprecher Christophe Castaner verdiente am Donnerstag den Preis der politischen Heuchelei. Er nannte es eine "gute Nachricht", dass Wohnbau- und Städteminister Richard Ferrand Gegenstand eines Justizverfahrens wird. Das werde es erlauben, "aus der moralischen Debatte herauszukommen" und juristische Klarheit zu schaffen, so Castaner.

In Wirklichkeit ist es eine sehr schlechte Nachricht für die neue Staatsführung: Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron ist erst seit zwei Wochen im Amt und hat ausgerechnet am Donnerstag ein Gesetz zur "Moralisierung" des politischen Lebens vorgestellt. Zugleich gerät ein zentraler Regierungspfeiler zumindest moralisch ins Wanken. Ferrand, einer der ersten Sozialisten, die zu Macron übergelaufen waren, soll seine ehemalige Lebensgefährtin bei einem Immobiliendeal um mehrere Hunderttausend Euro begünstigt haben – auf Kosten der Krankenversicherungsfirma, die er in der Bretagne selbst leitete.

Bisher stellte sich Ferrand auf den Standpunkt, alles sei "legal, öffentlich und transparent" gewesen. Premier Édouard Philippe sagte, Ferrands Rücktritt komme nicht infrage, da ihm die Justiz nichts vorzuwerfen habe. Doch nach einem ersten Verzicht nimmt die Staatsanwaltschaft von Brest nun doch Abklärungen vor. Die Wende rechtfertigt sie mit der "Analyse zusätzlicher Elemente".

Eine solche Vorermittlung hatte den tiefen Fall des konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon ausgelöst. Für Ferrand, der zudem wie Fillon Familienmitglieder als Parlamentsangestellte beschäftigte, gilt die Unschuldsvermutung. Der politische Schaden ist aber schon gewaltig. Der konservative Republikaner Xavier Bertrand erklärte, Macrons Festhalten an Ferrand mache "das ganze Gesetz unglaubwürdig".

"Genug von Affären"

Der Sozialist Razzy Hammadi kommentierte, die Stellung werde "für die Regierung unhaltbar, um nicht zu sagen vergiftet". Noch bevor die Justizermittlung angekündigt war, hatten 70 Prozent der Franzosen Ferrands Rücktritt gewünscht. In den TV-Tagesschauen sagen viele Befragte, sie hätten "genug von diesen Politaffären".

Der Ärger richtet sich unweigerlich auch gegen Macron, der in dieser Hinsicht einen Neuanfang versprochen hatte. Bei den Parlamentswahlen konnte er deshalb laut Umfragen mit einer absoluten Regierungsmehrheit rechnen. Die Ferrand-Affäre wird ihn aber etliche Stimmen kosten, wenn er sie nicht rasch bereinigt. (Stefan Brändle aus Paris, 1.6.2017)