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"Trump ist schlecht, so schlecht, wie ich befürchtet hatte", sagt der "demokratische Sozialist" und Clinton-Herausforderer Bernie Sanders in Berlin.

Foto: AP/Nietfeld

Zornig ist Bernie Sanders geblieben. "Bei allen politischen Differenzen mit Donald Trump", sagt der Senator aus Vermont und zählt sie erst einmal alle auf, denn "derer gibt es viele": die Gesundheitsreform des Präsidenten, seine wissenschaftsfeindliche Einstellung zum Klimawandel, sein Haushaltsentwurf, der der "schlechteste ist, den ein Präsident der Vereinigten Staaten jemals vorgelegt hat", da sich nur die Reichen darüber freuen könnten. "Aber!", sagt Sanders, hebt den Zeigefinger und wirkt dabei wie ein Dirigent vor seinem Orchester: "Auch wenn ich Donald Trump in fast jedem Punkt widerspreche: Am meisten ärgere ich mich über eine Sache, die über die politische Agenda hinausgeht – dass er Amerikas so lebendige Demokratie aushöhlt, und das gleich in vielerlei Hinsicht."

"Trump ist schlecht, so schlecht, wie ich befürchtet hatte", sagt Sanders. Er habe Hoffnung in das starke System der USA. "Glauben Sie mir, wir kämpfen Tag und Nacht dafür, Amerikas starke Institutionen zu schützen." Bernie Sanders empfängt in Berlin Journalisten zum Gespräch. Der dunkelblaue Anzug sitzt wie immer etwas locker auf den Schultern. Wenn er "stark" sagt, kommt sein Brooklyn-Akzent hervor: "schtrong" spricht er es aus, nicht "strong". Und wenn er "wir" sagt, dann meint er zwar auch seine Politikerkollegen. Vor allem aber meint er damit die Widerstandsbewegungen gegen den Präsidenten, die Aktivisten in ganz Amerika aus dem Boden stampfen und die Sanders als ihren Helden feiern. Am Mittwoch ist er in die deutsche Hauptstadt gekommen, um sein neues Buch vorzustellen: In Unsere Revolution skizziert er sein politisches Programm und zeichnet seinen Werdegang nach, wobei, das wird bei der Lektüre klar, beides eng miteinander verwoben ist.

"Hohes Energielevel"

"Die derzeitigen Bewegungen hat es lange nicht mehr gegeben, manche glauben, seit den 1960er-Jahren nicht mehr", sagt Sanders. Das "hohe Energielevel" speise sich aus zwei Dingen: dem Widerstand gegen Trump – und aus der Tatsache, dass die heutige Generation von Jugendlichen verstärkt die Umstände, unter denen sie leben, hinterfragen, ist Sanders überzeugt. Die Jungen, die Politikverdrossenen und die, die sich abgehängt fühlen, waren es, die den früheren politischen Außenseiter ins Zentrum rückten. Der heute 75-Jährige sitzt seit 1991 im Kongress, zuerst im Repräsentantenhaus, seit 2007 im Senat.

Im April 2015 kündigte er seine Kandidatur für die demokratischen Vorwahlen der Präsidentschaftswahlen an, auch wenn er der Partei bis heute nicht angehört. Und der selbsternannte "demokratische Sozialist" brachte im Vorwahlkampf die Frau, von der viele dachten, ihr Einzug ins Weiße Haus sei so gut wie sicher, stark in Bedrängnis. Die These, dass es Bernie Sanders im Gegensatz zu Hillary Clinton gelungen wäre, den republikanischen Gegner zu schlagen, hält sich wacker. Mit Sicherheit ist es ihm zuzurechnen, dass sich die Demokraten in einigen Punkten ein Stück weit nach links bewegen mussten, etwa in Sachen Freihandel und Mindestlohn.

Wo stehen die Demokraten heute? "Die Frage, warum Donald Trump gewonnen hat, ist wichtig. Aber wir müssen in erster Linie eine Antwort darauf finden, warum die Menschen die Republikaner wählen. Und zwar obwohl diese inzwischen eine rechtsextreme Partei geworden sind und obwohl die Menschen ihre Agenda nicht einmal unterstützen." Die Republikaner kontrollieren nicht nur das Weiße Haus, sie haben die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses und stellen die Gouverneure in 33 von 50 Bundesstaaten.

"Doppelzüngigkeit entlarven"

"Die Demokraten waren stets zu konservativ, zu nahe an Wahlkampfspenden, an der Wall Street, an großen Unternehmen. Der Durchschnittsamerikaner, der Überstunden für einen Niedriglohn macht, hat bei den Demokraten nicht erkennen können, dass sie für ihn einstehen, und hat sich deshalb den Republikanern zugewandt", lautete Sanders Erklärung. Inzwischen bewegten sich die Demokraten "in Richtung einer starken, progressiven Partei". Er nennt ein Beispiel: Über 30 Demokraten unterstützten inzwischen seinen Gesetzesvorschlag, den Mindestlohn von 7,25 auf 15 Dollar die Stunde zu erhöhen. "Das wäre vor zwei Jahren schlicht undenkbar gewesen. Das Momentum ist auf unserer Seite."

Und Trump? Sanders plädiert für Zurückhaltung in der Frage des Amtsenthebungsverfahrens, da zu wenige Fakten auf dem Tisch liegen würden. Derzeit sei es wichtiger, "Trumps Doppelzüngigkeit zu entlarven: Er hat damit Wahlkampf gemacht, für die Arbeiterschicht einzustehen, jetzt hilft er nur den Reichsten. Damit schadet er all jenen, die ihn gewählt haben." (Anna Giulia Fink aus Berlin, 31.5.2017)