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Zuerst Trump, dann Putin: Macron will die Richtung vorgeben.

Foto: AP /Francois Mori

Emmanuel Macron sei das neue "infant terrible" – frei übersetzt: das schreckliche Baby – der Weltpolitik, witzelte Moskowski Komsomolez vor dem Besuch von Wladimir Putin in Versailles. Doch dann musste das Moskauer Blatt verblüfft zugeben: "Der russische Präsident erwartete nicht einen solchen Druck." Der junge Franzose mit dem charmanten Lächeln hatte sich von dem alten Hasen Putin nicht unterkriegen lassen; offen prangerte er an, die vom Kreml gelenkten Medien hätten im französischen Wahlkampf "Fake-News" gestreut. "Macron meistert perfekt das Prinzip der drei Musketiere – anzugreifen, um sich nicht verteidigen zu müssen", kommentierte das Blatt.

Ganz ähnlich tönt es in Paris. Le Monde spricht von einem "sans-faute", einem fehlerlosen Auftritt, des Novizen Macron bei den Nato- und G7-Gipfeln; Libération lobt sein "savoir-faire" (Know-how). Vor Putin hatte er sich schon gegenüber US-Präsident Donald Trump behauptet, indem er dessen Schraubstock-Handshake nicht nur aushielt, sondern gar mit grimmigem Lächeln verlängerte. Später meinte er zu einem Pariser Sonntagsblatt, Trump, Putin oder auch der türkische Präsident Tayyip Erdogan suchten permanent die Kraftprobe. "Das stört mich nicht, aber ich lasse auch nichts durchgehen."

Die Franzosen staunen selbst, wie ihr freundlicher Jungpräsident den starken Männern der Weltbühne Paroli bietet – und das noch mit eleganten Manieren.

Nach fünf zum Teil blamablen Jahren unter François Hollande ist die Nation endlich wieder stolz auf ihren republikanischen Monarchen. Anders als Hollande will Macron mit dem Assad-Regime verhandeln und mit den Russen eine Arbeitsgruppe in Sachen Syrien bilden. Doch falls Damaskus erneut Giftgas einsetzen sollte, droht Macron mit einer "sofortigen Reaktion" der französischen Luftwaffe.

Duo mit Merkel

Macron weiß aber auch, dass sein Land mit den Großmächten nicht mithalten kann. Auch deshalb setzt der Proeuropäer voll auf die Karte EU – und zwar unter deutsch-französischer Führung. Bei den Gipfeln von Nato und G7 sprach er sich regelmäßig mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ab. Zusammen machten sie Druck auf Trump, die internationalen Regeln einzuhalten; zusammen verhinderten sie offenbar auch Erdogans Ansinnen, den nächsten Nato-Gipfel in die Türkei zu holen. Rasch zeigt sich: Das Powerpaar "Merkron" – die Achse Paris-Berlin – funktioniert besser als unter Chirac, Sarkozy und Hollande, mit denen Merkel jeweils einen schwierigen Start hatte.

Dazu tragen heute die Umstände bei: Der Brexit, die US-Administration und der Vormarsch der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen schweißen Frankreich und Deutschland enger denn je zusammen. Von einer bloßen Interessen- werden sie zum Kern einer "europäischen Schicksalsgemeinschaft", wie sie Macron nennt.

Auffällig ist auch, dass die Achse Paris-Berlin vorerst einmal kaum kritisiert wird – weder in den kleinen EU-Staaten noch an der Seine, wo sonst von links und rechts außen harte Attacken gegen den "deutschen Austeritätskurs" geritten werden. "M&M", wie Diplomaten sagen, sind sich in der zentralen Flüchtlingsfrage oder der Terrorbekämpfung weitgehend einig. Und beide betonen, dass zuallererst Frankreich seine Wirtschaft reformieren müsse. Macron sei fähig, sein Land wiederaufzurichten, zollte ihm der deutsche Exkanzler Gerhard Schröder Respekt.

Meistert der neue Präsident die demnächst zu erwartende Protest- und Streikfront im eigenen Land, wird er künftig auch europaweit mehr zu sagen haben. "Dann", so freut sich der deutschlandkritische Historiker Edouard Husson in Paris, "hätte Berlin in der EU nicht mehr allein das Sagen." (Stefan Brändle aus Paris, 1.6.2017)