Götz Schrage ist ein kleiner SPÖ-Funktionär (Bezirksrat) in Bobostan (korrekt: Wien-Neubau), hat ein buntes Leben gehabt und sich zu einer blöden, sexuell übergriffigen Äußerung über die neue ÖVP-Generalsekretärin Köstinger hinreißen lassen. Das geht nicht. Aber die SPÖ gibt ihm eine Besserungschance und überlässt der ÖVP – ausgerechnet der ÖVP – den "moral high ground" in Sexismusfragen.

Es war das letzte Beispiel dafür, dass die Sozialdemokraten in der letzten Zeit anscheinend nichts richtig machen können.

Das fängt damit an, dass die SPÖ-Spitze, konkret auch Christian Kern, den Zerfall der Regierungskoalition nicht optimal gemanagt hat. Für den überraschenden Rücktritt von Reinhold Mitterlehner, der das alles auslöste, kann Kern nichts. Dann aber reagierte er rein defensiv. Sebastian Kurz trat auf und sagte: Ich mache es, wenn sich die ÖVP mir unterwirft. Kern bot ihm eine Stunde später eine "Partnerschaft" an. Aber Kurz war mit dieser Koalition innerlich längst fertig und sprach sich in der nächsten Minute schon für Neuwahlen aus. Kern versuchte das abzublocken, aber schon waren die Oppositionsparteien auch für Neuwahlen, Kurz stimmte ihnen blitzschnell zu – und die Mehrheit für die Wahlen im Oktober war da. Dann versuchte Kern Kurz zu zwingen, den Vizekanzler zu machen. Dann drohte er mit dem "freien Spiel der Kräfte" im Parlament. Alles absehbare Nonstarter.

Sebastian Kurz wird in den (von der SPÖ mit Inseraten gefütterten) Massenblättern als neuer Messias gefeiert. Er verhält sich jedenfalls taktisch geschickt. Er spricht – vage – von "neuen Wegen", deutet Veränderungen an, erfüllt damit den Wunsch sehr vieler Österreicher, dass endlich etwas in Bewegung kommt. Beim Flüchtlingsthema hat er ohnehin einen unschlagbaren Bonus, auch hier konnte die SPÖ nur nachziehen. Kurz verkörpert (derzeit) einen Neuanfang, Kern hat diesen Neuanfang schon ein Jahr hinter sich. Die Tatsache, dass Kurz in der persönlichen Beliebtheit ziemlich vor Kern liegt, ist ein Alarmzeichen.

Dazu das strategische Dilemma: Die SPÖ quält sich auf eine Akzeptanz der FPÖ hin. Kern hat damit keine Freude, aber er hat wohl keine Alternative: Rot-Grün-Neos geht sich vermutlich nicht aus, ein neues Rot-Schwarz kann man vergessen. Doch die ständigen Zurufe aus dem Burgenland oder aus der Gewerkschaft für eine Koalition mit der FPÖ sowie die zerstrittene Wiener SPÖ als einziges, vorläufiges Bollwerk dagegen rauben Kern den Handlungsspielraum, lassen ihn als einen Getriebenen erscheinen. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl wird schon keck und stellt Bedingungen: Die SPÖ müsse sich vor einer Mitgliederbefragung zum Thema Rot-Blau zur FPÖ bekennen.

An einer Nebenfront: Der Grüne Peter Pilz funktioniert in bestem Einvernehmen mit Heinz-Christian Strache den Eurofighter-Ausschuss zu einem Tribunal über den ehemaligen SP-Verteidigungsminister Darabos um (aber wer hat eigentlich die Flieger ursprünglich bestellt?).

Fazit: Die SPÖ muss rasch das Gesetz des Handelns wiedergewinnen, sonst ... (Hans Rauscher, 30.5.2017)