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Ein-Euro-Jobs und andere Härten: Die deutsche Arbeitsmarktreform Hartz IV stößt auf Sympathien von Industrievertretern und Teilen der ÖVP.

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Die Übernahme von Hartz IV in Österreich halten Experten nur für begrenzt sinnvoll.

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Wien – Es ist eine Erfolgsstory, die hierzulande den Ruf nach Hartz IV erweckt: Während die Arbeitslosigkeit in Österreich höher liegt als vor zehn Jahren, brach die Quote in Deutschland massiv ein. Doch liegt dies tatsächlich an den im Nachbarland von einer rot-grünen Regierung durchgesetzten Arbeitsmarktreformen, die hierzulande in der Industriellenvereinigung und Teilen der ÖVP Sympathie genießen?

Wer bei der Lobby jener Werktätigen nachfragt, denen eine österreichische Kopie des Modells bei Jobverlust eine empfindliche Kürzung der staatlichen Unterstützung verheißt, stößt auf vehementen Widerspruch. Markus Marterbauer, Chefökonom der Arbeiterkammer, sagt: Der Effekt, den Hartz IV verspricht, lasse sich in den Fakten nicht nachweisen.

In der Theorie sollen die strengeren Konditionen dafür sorgen, dass Arbeitslose eher einen verfügbaren Job annehmen – doch dann müsste die Beschäftigung in Deutschland stärker gewachsen sein als in Österreich, argumentiert Marterbauer. Die EU-Statistik zeigt jedoch: Die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 15 und 64 Jahren legte seit 2005, als die letzte Stufe der Reformen beschlossen wurden, im Nachbarland mit 12,3 Prozent nur geringfügig stärker zu als hierzulande (11,6 Prozent) – und das, obwohl die deutsche Wirtschaft zuletzt etwas kräftiger gewachsen ist.

Woher dann die Kluft bei der Arbeitslosigkeit? Marterbauer verweist auf den größeren Andrang am Arbeitsmarkt: Während die Gruppe der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland schrumpfte, ist sie in Österreich gestiegen – vor allem durch höhere Zuwanderung. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) ist das Arbeitskräfteangebot mit einem Plus von 12,6 Prozent dreimal so stark gewachsen wie beim Nachbarn.

Die Daten sind unbestritten, für die Interpretation gilt das nicht. Zu simpel sei diese Erklärung, sagt Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS), schließlich generiere ein höheres Arbeitskräfteangebot mehr Beschäftigung: Zuwanderer aus dem Osten brächten Qualifikationen mit, die Unternehmer zuhause vergeblich suchten – somit würden neue Jobs geschaffen. So einfach auf die Zuwanderung könne man Österreichs Rückstand bei der Arbeitslosenquote also nicht schieben.

Ein anderer Experte meldet da freilich Einwände an. Helmut Mahringer vom Wifo will nicht bestreiten, dass verstärkter Zulauf auf den Arbeitsmarkt zu höherer Beschäftigung führen könne, hält den Effekt aber für überschaubar. Gerade im Wiener Raum arbeiteten viele Menschen, die nach wie vor im EU-Ausland leben – zum heimischen Wachstum trugen diese mit ihrem Konsum also nur begrenzt bei. Außerdem gebe es deutliche Indizien, dass Pendler häufig alteingessene Arbeitskräfte – oft ebenfalls Zuwanderer – aus Jobs drängten. Als "zentralen Grund", warum sich die Arbeitslosenrate hierzulande so viel schlechter entwickelt hat, nennt Mahringer folglich sehr wohl das höhere Arbeitskräfteangebot in Österreich: "Hartz IV ist da sicher nicht entscheidend".

Experten gegen Nachahmung

Besteht also kein Grund zum Nachahmen? Österreich setze bereits jetzt auf einen "plausiblen Mix" aus Anreizen und Strafdrohungen, sagt der Wifo-Fachmann und bezweifelt, dass Verschärfungen große Beschäftigungserfolge bringen würden. Ohnehin hätten die deutschen Reformen, die ja nicht nur Kürzungen sondern auch eine effizientere Vermittlung gebracht hätten, manches nachvollzogen, was in Österreich bereits Praxis war.

Das deutsche System sei vor der Reform – wenn man so wolle – milder zu Arbeitslosen als das österreichische gewesen, sagt Hofer: Die härteren Regeln von Hartz IV hätten geholfen, mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen – wenn auch vielfach am Niedriglohnsektor. Für die heimischen Probleme aber sieht auch der IHS-Experte im umstrittenen Modell kein Patentrezept. Österreich müsse danach trachten, die Qualifikation der Arbeitskräfte zu verbessern: "Das tue ich mit Hartz IV nicht." (Gerald John, 31.5.2017)