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Soll die EU-Kommission von Jean-Claude Juncker sich den Jobbonus noch anschauen? SPÖ und ÖVP sind sich uneinig.

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Kanzler Christian Kern drängt auf eine rasche Umsetzung des Vorhabens.

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Vizekanzler Wolfgang Brandstetter hat noch rechtliche Bedenken.

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Wien – Kanzler Christian Kern forderte die ÖVP am Dienstag auf, den sogenannten Beschäftigungsbonus endlich umzusetzen. DER STANDARD gibt einen Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten in diesem Thema:

Frage: SPÖ und ÖVP streiten wieder einmal über den Beschäftigungsbonus. Worum geht es bei dieser Förderung noch einmal?

Antwort: Betriebe, die zusätzliche Mitarbeiter einstellen, sollen eine Förderung in Höhe von 50 Prozent der Lohnnebenkosten bekommen – abgewickelt über die staatliche Förderbank AWS. Dafür sind in den kommenden sechs Jahren zwei Milliarden Euro reserviert. Laut Schätzungen könnten bis zu 30.000 Unternehmen gefördert werden, wenn sie mindestens ein vollversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis schaffen, das mindestens vier Monate besteht.

Frage: Gab es in der Regierung nicht schon Beschlüsse dazu?

Antwort: Ja, im Ministerrat wurden die Eckpunkte bereits im Februar beschlossen, ein Gesetzesentwurf liegt seit Anfang Mai vor. Offen ist aber noch die nicht unwichtige Förderrichtlinie, mit der im Detail festgelegt wird, wer Anspruch hat. Dafür braucht es keinen Regierungsbeschluss mehr, aber das Einvernehmen von Wirtschaftsministerium, Kanzleramt und Finanzressort.

Strittig sind aber gar nicht die Inhalte, sondern die Vorgangsweise. Das Wirtschaftsministerium möchte den Jobbonus laut SPÖ erst bei der EU-Kommission notifizieren, also von Brüssel formell bestätigt haben, dass es kein beihilfenrechtliches Problem gibt. Das dauert in der Regel mehrere Monate. Die SPÖ hält das nicht für nötig und befürchtet Verzögerungen. Im Büro von Wirtschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) wollte man sich dazu am Dienstag nicht näher äußern. Verwiesen wurde nur auf weitere Gespräche. Man wolle "Rechtssicherheit", heißt es.

Frage: Wäre so eine Notifizierung ein Problem?

Antwort: Zunächst einmal nicht. Das Parlament könnte das Gesetz, das am 1. Juli in Kraft treten soll, trotzdem beschließen, auch die Förderrichtlinie kann finalisiert werden. Tatsächlich würden Fördergelder ohnehin frühestens Mitte 2018 fließen, weil die Abrechnung erst zwölf Monate nach Antragsdatum erfolgen soll. Ein Problem entsteht aber natürlich dann, wenn die EU-Kommission die Meinung vertritt, es liege eine unzulässige Beihilfe vor. Dann würde ein förmliches Prüfverfahren gegen Österreich eingeleitet.

Frage: Was sagen Experten dazu?

Antwort: Das Wirtschaftsministerium hat ein Rechtsgutachten der Anwaltskanzlei Cerha, Hempel, Spiegelfeld, Hlawati in Auftrag gegeben, laut dem der Beschäftigungsbonus nicht unter den unionsrechtlichen Beihilfebegriff fällt (siehe Anhang). Darauf beruft sich auch die SPÖ. In der Kanzlerpartei wird vermutet, dass es der ÖVP unter ihrem neuen Chef Sebastian Kurz in Wahrheit nur darum geht, Christian Kern vor der Wahl keinen Erfolg zu gönnen.

Frage: Für welche Mitarbeiter soll nun eine Förderung beantragt werden können?

Antwort: Laut dem aktuellen Entwurf für die Förderrichtlinie, der dem STANDARD vorliegt, gelten folgende Personen als förderwürdig:

  • Arbeitslose: Personen, die unmittelbar vor Beginn des zu fördernden Arbeitsverhältnisses beim AMS arbeitslos gemeldet waren oder sich in Schulung befanden.
  • Jobwechsler: Menschen, die zuvor bereits in Österreich beschäftigt waren (zumindest vier Monate im vergangenen Jahr) und nun einen neuen Job annehmen.
  • Bildungsabgänger: Personen, die in Österreich eine auf bundes- oder landesgesetzlicher Basis geregelte Ausbildung absolviert haben und nun in den Jobmarkt eintreten. Der Abschluss darf nicht länger als zwölf Monate zurückliegen.

Zudem gilt: Ein neuer Mitarbeiter darf in den letzten sechs Monaten nicht schon für das Unternehmen gearbeitet haben (das gilt auch für Leiharbeiter und freie Dienstverhältnisse). Eine Förderung kann auch nur dann gewährt werden, wenn der Mitarbeiterstand im aktuellen Jahr höher ist als im Vergleichsquartal des Vorjahrs. Wer den Beschäftigtenstand nur durch Umwandlung von Vollzeit- auf Teilzeitstellen erhöht, gilt nicht als förderwürdig.

Frage: Geplant war auch, gezielt Personen, die schon in Österreich leben, zu fördern, nicht aber neue Zuwanderer aus EU-Staaten. Gibt es hier keine Bedenken wegen möglicher Verstöße gegen die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit?

Antwort: Die gibt es, der Linzer Europarechtler Franz Leidenmühler ortete beispielsweise eine klare Europarechtswidrigkeit. Der Verfassungsdienst im Kanzleramt sieht das in einem Gutachten aber anders (siehe Anhang). Seine Argumentation: Formell werde beim Beschäftigungsbonus nicht nach Staatsangehörigkeit unterschieden, weil auch beim AMS gemeldete Zuwanderer oder solche, die in Österreich eine Ausbildung gemacht haben, gefördert werden können.

Eingeräumt wird aber, dass die Voraussetzungen "typischerweise eher von Inländern" erfüllt werden und die Regelung somit "Arbeitgeber potenziell davon abhalten könne, Personen aus anderen EU-/EWR-Staaten ... einzustellen". Solche "mittelbaren Ungleichbehandlungen bzw. Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit" könnten allerdings nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs "zum Schutz zwingender Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein", heißt es in dem Papier.

Der Verfassungsdienst geht daher davon aus, dass der Beschäftigungsbonus vor dem EuGH halten würde: Unter Verweis auf die verfolgten "beschäftigungs- und sozialpolitischen Ziele" der Regierung sei eine "hohe Rechtfertigungsposition gegeben", wie es juristisch ausgedrückt heißt.

Frage: Ursprünglich war auch geplant, dass Menschen aus Drittstaaten, die über eine Rot-Weiß-Rot-Karte beschäftigt werden, als förderwürdig gelten sollen. Was wurde daraus?

Antwort: Das war in den ersten Entwürfen tatsächlich etwas kurios. Demnach hätte man für einen neu zugewanderten Mitarbeiter aus einem EU-Staat keine Förderung bekommen, für einen aus der Türkei aber sehr wohl. Nun wurde die Einbeziehung der Drittstaatsangehörigen, auf die die ÖVP zunächst gedrängt hatte, wieder gestrichen. Hier hatte der Verfassungsdienst nämlich sehr wohl unionsrechtliche Bedenken. (Günther Oswald, 30.5.2017)