Selbst geübte Feministinnen und Kritikerinnen von Diskriminierung stehen den viralen Aufregungen oftmals ratlos gegenüber. Zitate werden als Screenshots oder Kurzvideos via Twitter verschickt und mit 140 Zeichen "eingeordnet", Facebook-Postings entfachen heiße Debatten mit einem nicht enden wollenden Hin und Her. Wer dem Diskussionsverlauf nicht aufmerksam und am besten zeitgleich folgt, steht dem erst einmal etwas ratlos gegenüber, während sich viele schon längst einig sind, ob hui oder pfui.

Auch über das "Götz-Zitat", wie Julya Rabinowich das Facebook-Posting des Wiener SPÖ-Bezirksrats Götz Schrage zusammenfasste, wundert man sich erst einmal. Er verglich die neue ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger mit "jungen Damen der ÖVP Innere Stadt aus den frühen 80er-Jahren", diese hätten mit ihm geschlafen, "weil sie mich wohl für einen talentierten Revolutionär hielten".

Das ist keine unglückliche Formulierung, die etwa kürzlich dem ORF-Journalisten Hans Bürger Sexismusvorwürfe eingebracht hat. Das ist schon eine andere Kategorie von Aussage: frauenfeindlich, garniert mit einem großen Brocken Maskulinismus. Der Subtext ist plump: Frauen sind eher "Fans" von Männern aka "talentierte Revolutionäre" als gleichberechtigte Sexualpartnerinnen. Und Schrage nutzt diesen Seitenhieb auf Frauen auch noch, um unter Beweis zu stellen, dass es viele waren, mit denen er im Bett war.

Konstruktive Kritik

Unterste Schublade, in der Tat bleibt hier äußerst wenig Spielraum für wohlwollende Interpretationen. Trotzdem bleibt uns nichts anderes übrig, als uns für jede Form von Sexismus etwas mehr Zeit zu nehmen. Die Gründe dafür sind zweifach: Frauenfeindliche Sprüche werden in der Öffentlichkeit und/oder von öffentlichen Personen immer weniger toleriert. Das ist ein kleiner Fortschritt. Doch wir knüpfen an diesen Fortschritt nicht an, wenn wir den unterschiedlichen Formen und Graden von Sexismus in den Debatten nicht gerecht werden, indem wir diese zugunsten eines möglichst großen Tohuwabohu bewusst ignorieren.

Manchmal werden stereotype Bilder gemalt, völlig unbewusst und ohne frauenfeindliche Intentionen. Darüber müssen wir reden können, ohne die Betreffenden zur Persona non grata zu machen. Es muss zwischen einer diskriminierenden Aussage und der Person getrennt werden, so wie es die Autorin Carolin Emcke in ihrem Buch "Gegen den Hass" zu Recht vorschlägt. Denn Handlungen kann man ändern. Doch wenn man jemanden als Menschen selbst verunglimpft und unwiderruflich als Sexisten bezeichnet, macht das Veränderungen schwierig. Im Gegenzug könnten wir jene, die offensichtlich gern und auch ganz gezielt auf der Sexismusklaviatur spielen, um selbst im Gespräch zu bleiben, ruhig öfter einmal ignorieren.

Glaubwürdigkeit in Sachen Frauenpolitik

Der zweite Grund, warum mehr Zeit und Raffinesse in der Sexismuskritik nötig wäre: Sie darf nicht zur Waffe werden, mit der viele für Aufmerksamkeit in eigener Sache statt für Gleichberechtigung kämpfen. Gleichberechtigung darf sich auch nicht in Kritik an sexistischen Aussagen erschöpfen. Diese ist auch wichtig, doch konkrete Frauenpolitik hätte viel mehr Aufmerksamkeit nötig. Diese könnte die SPÖ maßgeblich mitgestalten.

Höhere Löhne und Pensionen für Frauen oder endlich wieder ein eigenes Frauenministerium – konsequente Arbeit daran würde die SPÖ als starke frauenpolitische Partei glaubwürdiger machen als die Aufforderung zum Rücktritt eines Bezirksrats mit einem verbesserungswürdigen Frauenbild – über das er sich, wie seine Entschuldigung zeigt, offenbar belehren lässt. Das ist doch ein Fortschritt, jetzt könnte sich die Partei wieder richtiger Frauenpolitik zuwenden. (Beate Hausbichler, 29.5.2017)