Jared Kushner könnte möglicherweise illegale Russland-Kontakte gehabt haben.

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Washington – Eigentlich sollte es ein Kontrapunkt zu den roten Teppichen in Riad, Jerusalem, Brüssel und Taormina werden: Am Donnerstag wollte Donald Trump in die Provinz reisen, um in Iowa vor Leuten zu reden, die ihm trotz allem die Treue halten. Nun aber fällt der Auftritt im Mittleren Westen ins Wasser. Der Präsident hat ihn gestrichen, denn vorläufig kann er nicht weg aus Washington, wo er sich hektischem Krisenmanagement zu widmen hat.

Am Wochenende aus Sizilien zurückgekehrt ins Weiße Haus, ist es einmal mehr die Russland-Akte – eine Serie von Vorwürfen, nach denen einige seiner Wahlkampfberater geheime Absprachen mit dem Kreml getroffen haben sollen. Nach Berichten von US-Medien sind private Anwälte Trumps darauf eingestellt, die Juristen der Machtzentrale zu unterstützen. Trump, so meldet die Washington Post, denke bereits an einen "War Room", ein mit hochkarätigen Advokaten besetztes Krisenzentrum, wie es Bill Clinton bildete, um an Abwehrstrategien zu basteln, nachdem seine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky bekanntgeworden war.

Pläne für Regierungsumbau

Auch sonst brodelt es gerade ziemlich heftig in der Gerüchteküche. Von einem anstehenden Befreiungsschlag ist die Rede; von Personalrochaden; davon, dass Trumps sichtlich überforderter Sprecher Sean Spicer in den Hintergrund tritt. Und bei der Russland-Connection dreht sich momentan alles um Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn.

Der 36-Jährige, von seinem Schwiegervater zum Wunderknaben verklärt, soll Moskau während der Übergangsperiode zwischen der Wahl im November und der Amtseinführung im Jänner vorgeschlagen haben, einen geheimen Kommunikationskanal zu installieren. Abhörsicher und brisanterweise so organisiert, dass er an der eigenen Regierung vorbeiführt, unter Nutzung diplomatischer Einrichtungen Russlands.

Geheimer Draht

Anfang Dezember traf sich Kushner, damals noch Immobilienunternehmer ohne Erfahrung in öffentlichen Ämtern, im New Yorker Trump Tower mit Sergej Kisljak, dem russischen Botschafter. Mit dabei war Michael Flynn, der Exgeneral, der bald darauf Nationaler Sicherheitsberater wurde, aber nach nur 24 Tagen im Amt zurücktreten musste. Was Trumps Emissären vorschwebte, schreibt die New York Times, waren direkte Drähte, um hinter den Kulissen mit Militärexperten in Moskau zu reden.

Nun gehören geheime Gesprächskanäle zum Kreml zur US-Diplomatie wie der Rosengarten zum Weißen Haus. Schon John F. Kennedy wusste sie sehr zu schätzen. Regelmäßig ließ er seinen Bruder Robert, den damaligen Justizminister, klandestine Treffen mit Georgi Bolschakow arrangieren, einem Geheimdienstmann, der zur Tarnung Presseattaché der sowjetischen Botschaft war. Im Herbst 1962 trugen die streng vertraulichen Kontakte wesentlich dazu bei, die Kubakrise zu entschärfen und einen Atomkrieg abzuwenden. Geheimkanäle, sagt denn auch Trumps Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster, "erlauben Ihnen, diskret zu kommunizieren". Man pflege sie mit einer ganzen Reihe von Staaten.

Rätseln über Quellen

Im Falle Kushners liegen die Dinge allerdings etwas anders und sind womöglich illegal: Offensichtlich wollte oder sollte er nicht bis zur Vereidigung Trumps am 20. Jänner warten, sondern schon Wochen zuvor einen "back channel" organisieren. Wer so etwas tut, so die Quintessenz der Vorwürfe, konterkariert die Außenpolitik des Amtsinhabers; der verletzt den Grundsatz, nach dem die USA nur eine Außenpolitik haben können: eine von der jeweiligen Regierung betriebene.

Publik wurde Kushners Ansinnen, weil Kisljak es postwendend nach Moskau weitergeleitet hatte. Da US-Geheimdienste die Kommunikation des russischen Botschafters überwachen, wurde die Initiative des Schwiegersohns zu einem Geheimnis, das nur darauf wartete, der Presse zugespielt zu werden – womöglich von den Russen selbst. (Frank Herrmann aus Washington, 28.5.2017)