Muttenz – In der Chemiebranche kommt es zu einem weiteren milliardenschweren Zusammenschluss. Der Schweizer Konzern Clariant will über einen Aktientausch mit dem US-Wettbewerber Huntsman fusionieren, wie das Schweizer Unternehmen am Montag mitteilte.

Die auf HuntsmanClariant getaufte Firma komme auf einen Umsatz von rund 13,2 Mrd. Dollar (11,8 Mrd. Euro) und ein bereinigtes operatives Ergebnis (Ebitda) von 2,3 Mrd. Dollar.

An der neuen Gesellschaft sollen die Clariant-Aktionäre 52 Prozent halten, die Huntsman-Eigner den Rest. Die Familienaktionäre von Clariant und Huntsman unterstützten die Fusion.

"Perfekter Deal, richtige Zeit"

"Dies ist der perfekte Deal zur richtigen Zeit", warb Clariant-Chef Hariol Kottmann für den Zusammenschluss. Er soll Verwaltungsratspräsident des neuen Unternehmen werden. Als Konzernchef sei Peter Huntsman vorgesehen, der gegenwärtig die Firma aus Texas leitet. Die beiden Unternehmen seien zuversichtlich, dass die Behörden grünes Licht für die Transaktion geben und der Zusammenschluss bis zum Ende des Jahres unter Dach und Fach sein wird. Hauptsitz des neuen Unternehmens werde Pratteln bei Basel, während die operativen Geschäfte aus dem texanischen The Woodlands geleitet würden. HuntsmanClariant soll sowohl an der Schweizer Börse als auch an der New York Stock Exchange gelistet werden.

Clariant stand unter dem Druck von Investoren, einen Partner zu finden, um Kosten zu senken und das Wachstum anzukurbeln. Firmenlenker Kottmann baut seinen Konzern seit Jahren um. So trennte er sich 2012 von den Sparten für Textil- und Papierchemie. Clariant stellt etwa Flugzeugenteisungsmittel oder Farbpigmente her. Chemikalien von Huntsman werden in Farben, Bekleidung oder am Bau verwendet.

Stellenstreichungen im Bereich des Möglichen

Clariant-Chef Kottmann rechnet nach der angekündigten Fusion mit Huntsman nicht mit einem Gegenangebot einer anderen Firma. "Ich kenne zwar die Absichten anderer Unternehmen nicht", sagte Kottmann am Montag auf einer Pressekonferenz. Es würde ihn jedoch überraschen, wenn andere Firmen mit einem Zusammenschluss denselben Wert schaffen könnten.

Clariant will über einen Aktientausch mit dem US-Wettbewerber Huntsman fusionieren. Inwiefern es im Zuge dessen auch zu Stellenstreichungen komme, ließen die Firmen offen. In der Schweiz seien jedoch keine Streichungen geplant.

Weil sich das Wachstum in der Chemiebranche insgesamt abschwächt, setzen viele europäische Unternehmen auf Übernahmen. Seit Mitte 2015 gab es etwa Milliardenzukäufe von BASF, Solvay, Evonik und Lanxess. In den USA wagen Dow and DuPont eine Fusion im Volumen von 130 Mrd. Dollar. Nach dem Zusammenschluss soll das neue Unternehmen in drei Bereiche aufgespalten werden.

Kurssprung zu Handelsbeginn

Die Aktien des Spezialchemikalienherstellers Clariant sind mit einem Kursprung in die neue Woche gestartet. Das Papier gewann kurz vor 10 Uhr bei sehr hohen Volumen 8,8 Prozent auf 22,70 Franken und notierte damit auf dem höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren. Der am SPI gemessene Gesamtmarkt stand um 10.00 Uhr mit plus 0,14 Prozent kaum verändert.

Dass der Zusammenschluss nun stattfinde – nachdem während mehr als zehn Jahren darüber spekuliert worden sei – wird bei der Bank Vontobel begrüsst. Die Fusion werde es Clariant ermöglichen, die globale Präsenz zu erweitern, insbesondere in den beiden strategisch wichtigen Märkten USA und China. Der für Morgen Stanley zuständige Experte sieht allerdings nur begrenzte Überschneidungen bezüglich des Produktportfolios.

In die gleiche Kerbe schlägt man bei Baader Helvea: Aus operativer bzw. branchenspezifischer Sicht mache die Fusion nur begrenzt Sinn, heißt es. Für den zuständigen Analysten sei Huntsman auch nie der erste Kandidat für einen möglichen Zusammenschluss mit den Baslern gewesen. Denn die Überlappung der beiden Geschäfte sieht er für Clariant beim EBITDA bei 50 Prozent und bei Huntsman bei lediglich 30 Prozent. Er interpretiere den Zusammenschluss daher als eine Verteidigungsstrategie von Clariant, um nicht Ziel einer (feindlichen) Übernahme zu werden.

Die Fusionsbekanntgabe könnte nun aber der Auslöser für einen Bieterkampf sein, wie es weiter heißt. Für ihn beläuft sich die Wahrscheinlichkeit für ein Gegenangebot auf über 50 Prozent, womit er für die Clariant-Aktie weiteres Aufwärtspotential auf über 30 Franken sieht. (APA/Reuters/sda, 22.5.2017)