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Der Jubel – hier in Teheran – war groß, und eine Gelegenheit zu feiern nimmt die Jugend gern wahr.

Foto: AP Photo/Ebrahim Norooz

Teheran/Wien – Das konservative Lager wollte es selbst so haben: Die Idee, dass die iranische Präsidentschaftswahl 2017 eine über die Bedeutung des Amts hinausgehende Richtungswahl sei, war kein PR-Gag von Amtsinhaber Hassan Rohani. Sein Herausforderer Ebrahim Raisi stilisierte sich als der einzige legitime Erbe der Islamischen Revolution und als deren Garant für die Zukunft. Das Resultat ist bekannt: Rohani bekam gleich noch einmal viereinhalb Millionen Stimmen mehr als 2013, und das, obwohl er die Erwartungen vieler an die vergangenen vier Jahre nicht erfüllt hatte.

38 Jahre nach der Revolution im Iran, die erst in den Monaten nach dem Sturz des Schahs zur islamischen gemacht worden ist, haben die Menschen, besonders die jungen, andere Wünsche und Sorgen. Für Raisi und das konservative Establishment, das sich hinter ihm zusammengerauft hatte, gibt es einige besonders schmerzliche Details des Wahlausgangs.

Hochburg erobert

In der heiligen Stadt Mashhad, wo Raisi als Chef der Razavi-Stifung der mächtigste Mann ist, gewann Rohani besonders deutlich. In Mashhad ist die einzige iranische Begräbnisstätte eines der zwölf schiitischen Imame, und dort hatte 2016 der Freitagsimam Ahmed Alamolhoda – Schwiegervater Ebrahim Raisis – dafür gesorgt, dass ein bereits programmiertes Konzert verboten wurde. Rohani hatte sich damals gegen das Verbot gestellt und als Folge der Kontroverse seinen Kulturminister ausgetauscht. Danke, Rohani, sagten die Mashhader.

Die Mehrheit der Iraner und Iranerinnen vertraut Rohani also, auch wenn er seine Versprechungen eines auf den Atom- deal folgenden Wirtschaftsaufschwungs, von dem alle profitieren würden, und von mehr Freiheiten für alle nicht einlösen konnte. Die große Frage ist nun, was er in Zukunft vermag. Ist er nun mächtiger? Wohl kaum, weiter liegen einige wichtige Bereiche außerhalb seines Aktionsradius.

Aus dem Sicherheitsapparat

Aber natürlich kann sich Rohani mit einem starken Volksmandat sicherer fühlen: Dass sich die Bürger innerhalb des Systems – und nur das – aussuchen können, wer die Regierungsgeschäfte führt, gehört zum Selbstverständnis der Islamischen Republik. Rohani kommt aus dem Sicherheitsapparat, niemand kann ihm die System-DNA absprechen. Er ist schon vor den Wahlen kühner geworden. Lob und Dank für Expräsident Mohammed Khatami (1997–2005), der sich als zu widerständig in Hausarrest befindet, ist fast schon zu Rohanis Mantra geworden. Auch in Khatamis Heimatprovinz Yazd hat er dementsprechend gut abgeschnitten.

Genauso werden aber seine Gegner, die entweder wirklich die Werte der Revolution oder nur ihre Pfründe bedroht sehen, nicht aufgeben. Rohani hat sich zuletzt auch direkt mit den Revolutionsgarden angelegt. Die werden beim religiösen Führer Ali Khamenei Gelegenheit zur Genugtuung einfordern. Und Khamenei, an dem sich Rohani auch schon gerieben hat, wird sie ihnen nicht verweigern. Das war immer die Politik Khameneis: Wenn die einen etwas zu viel haben, dann werden die anderen entschädigt.

Es ist nicht anzunehmen, dass Khamenei diese Wahlen als gefallene Richtungsentscheidung akzeptiert. Die Monopole in der iranischen Politik, die das Büro des Führers für sich beansprucht, werden die gleichen bleiben. Etwa die Justiz: Auch wenn in den letzten Jahren sogar Debatten über die Sinnhaftigkeit der Todesstrafe geführt wurden – undenkbar in Saudi-Arabien -, nahmen die Exekutionen dennoch zu.

Achse der Einflussnahme

Für das Schicksal des Iran entscheidend könnte jedoch etwas anderes werden: die ideologische Regionalpolitik des Iran, die Idee einer "Achse des Widerstands" zwischen dem Iran und seinen Verbündeten – Stichwort Assad in Syrien -, die sich für die sunnitische arabische Welt sowie für Israel jedoch als Achse der Einflussnahme oder Expansion darstellt.

Das von Hardlinern unmissverständlich formulierte Ziel, die strategische Reichweite des Iran auszudehnen, ist es, das am Wochenende in Riad die Gegner des Iran näher zusammenrücken lässt. Ohne Änderung dieser Politik ist Rohanis pragmatischer Kurs der Öffnung nach außen zum Scheitern verurteilt. Aber selbst wenn Rohani diese Politik hinterfragen würde – das ist nicht bekannt -, stünde es nicht in seiner Macht, sie zu ändern.(Gudrun Harrer, 21.5.2017)