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Herrentagspartie in Magdeburg: Ein Bollerwagen mit Verpflegung ist Pflicht, Frauen sind hingegen nicht so gerne gesehen.

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Neben dem Bollerwagen mit flüssiger Nahrung muss auch der Griller im Anhänger mit.

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Frauen? Georg schaut so entsetzt, als habe man ihm gerade seinen Lohn um die Hälfte gekürzt. Also nee, echt nicht. Frauen dürfen bei der Herrentagspartie, die der Ostberliner Altenpfleger plant, nun wirklich nicht dabei sein. "Bei allem Sinn für Gleichberechtigung, da ziehen wir Männer schon alleine los, um ein bisschen Spaß zu haben."

Zu acht werden sie sein, mit der Berliner S-Bahn raus nach Friedrichshagen, dann runter zum Müggelsee. Das ist zwar nicht wahnsinnig weit zu gehen, aber am Herrentag will man sich ja auch nicht überanstrengen – was das Marschieren betrifft. Und ewig lang hat auch keiner Lust, den Bollerwagen mit dem ganzen flüssigen Proviant zu ziehen.

So wie Georg werden am kommenden Donnerstag hunderttausende Männer in Deutschland unterwegs sein, zunächst mal froh darüber, dass der Himmelfahrtstag – wie in Österreich – in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag ist. Im christlichen Glauben bezeichnet Christi Himmelfahrt die Rückkehr Jesu Christi als Sohn Gottes zu seinem Vater in den Himmel, genau am 40. Tag nach seiner Auferstehung.

Alkohol und laute Musik

Aber in die Kirche gehen die wenigsten, denn an diesem Tag geht es um etwas anderes. Es ist Vater- oder Herren-, aber auch (in Ostdeutschland) Männertag.

Doch wer nun glaubt, analog zum Muttertag, bekämen an diesem Tag eben die Väter von ihren Sprösslingen reizende Basteleien oder dürften Gedichten lauschen, der irrt. Im ganzen Land rotten sich an diesem Tag Männer zusammen und ziehen in die Natur, um sich selbst zu feiern, was in den allerwenigsten Fällen im Stillen abläuft. Vor allem in Ostdeutschland hat man an diesem Tag wenige Chancen, schöne Orte zu genießen. Überall sind die "Herren" mit Alkohol, meist auch mit lauter Musik.

Immerhin: Das Spektakel hat Geschichte und Tradition und seinen Ursprung in Berlin. "Im 19. Jahrhundert lebten in Berlin viele alleinstehende Männer in schlechten Unterkünften", sagt der Berliner Ethnologe Wolfgang Kaschuba. "Da der Samstag noch durchgängig Arbeitstag war, war jeder Feiertag kostbar." Man nutzte also die Gelegenheit, rauszukommen, wobei der Begriff Herrentag ein wenig irreführend ist.

Hinaus in die Natur

"Der Herrentag war etwas für junge Arbeiter, die eigentlich keine Herren waren", sagt Kaschuba. Auch dafür, dass man sich nicht einfach in der Stadt zum Trinken traf, gibt es ein paar Erklärungen. Gasthäuser, die sich alle leisten konnten, gab es in der Form noch nicht so viele.

Und, so Kaschuba: "Um 1900 war es Mode, in die Natur hinauszugehen. Die jungen Männer stilisierten sich als Herren und imitierten das Wandern, ein richtiges Gehen war das ja nicht." Ein wenig Anlehnung an den christlichen Himmelfahrtstag gibt es auch: Man marschiert über Wiesen und Felder, um in Prozessionen um gute Ernte zu bitten.

Dass der Herrentag heute vor allem in den ostdeutschen Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sehr gepflegt wird, erklärt Kaschuba mit der sozialen Situation vieler junger Männer: "Die Frauen sind weg, die Eltern kein Vorbild, Jobs gibt es auch nur wenige. Es erfolgt also die Vergemeinschaftung in der Gruppe."

Gunther Hirschfelder, Kulturanthropologe an der Universität Regensburg, sieht in der Herrentagspartie ebenfalls eine "Neureflexion von Tradition". Denn: "Viele Menschen fühlen sich von der Globalisierung bedroht. Das Fremde erscheint nicht exotisch, sondern macht Angst. Man greift wieder alte Bräuche auf."

Wunsch nach heiler Welt

Auch das wichtigste Utensil am Herrentag ist für Hirschfelder "Symbol für die heile Welt, die es so ohnehin nie gegeben hat": der Boller- oder, auf Österreichisch, Leiterwagen. Ein absolutes Muss bei jeder Herrenpartie. Im Bollerwagen werden die Getränke transportiert, zudem ist klar: Wenn die Herren Wagen ziehen, kommen sie nicht so schnell vorwärts. "Super für den Herrentag", "ideal für Vatertag", lauten die Anpreisungen bei Ebay. Wenn er groß genug ist, passt der Griller auch gleich noch drauf. Und echte Hardcore-Herren tragen natürlich auch ein entsprechendes "Vatertags-T-Shirt".

Kein Wunder, dass das Statistische Bundesamt darauf hinweist, dass der Herrentag einer jener Tage im Jahreskreis ist, an dem die meisten Unfälle unter Alkoholeinfluss passieren. Aber vielleicht sind ja manchem die Worte von Oberkirchenrat Matthias Kreplin der Evangelischen Landeskirche in Baden Mahnung: "Denjenigen, die diesen Tag exzessiv begehen, möchte ich zurufen: Überlegt mal, ob Vaterschaft den Sinn darin haben kann, sich zu betrinken." Und vielleicht regnet es ja auch. (Birgit Baumann aus Berlin, 21.5.2017)