Eva Glawischnig ist am Mittwoch als Bundessprecherin der Grünen zurückgetreten.

ORF

Eva Glawischnig hat es offen angesprochen. Letztlich ist ihr der Druck zu viel geworden. Die Gesundheit geht vor, das ist sie sich selbst und vor allem ihrer Familie schuldig. Das ist nachvollziehbar.

Der Abgang von Glawischnig, die als Bundessprecherin der Grünen sicher nicht alles richtig gemacht hat, gerade in jüngster Zeit, wird von den Parteifreunden und vielen politischen Mitbewerbern bedauert. So war es auch bei Reinhold Mitterlehner, der wenige Tage vor ihr zurückgetreten war. Mitterlehners Qualitäten als Politiker, der den Konsens gesucht und auf Sachpolitik gesetzt hat, werden erst im Nachhinein geschätzt. Und auch Mitterlehner hat die zunehmende Schärfe in der politischen Auseinandersetzung, die Intrigen in der eigenen Partei und den gelegentlich respektlosen Umgang der Medien mit dem politischen Personal als Gründe für seinen Rückzug angeführt. Auch er war persönlich betroffen.

Klicks, Quoten und Aufmerksamkeit

Der Konkurrenzkampf in der Politik wird härter, Skrupellosigkeit greift um sich, persönliche Karrieren werden über Integrität gestellt, Sachpolitik gerät zunehmend in den Hintergrund. Die Intensität des Machtkampfs wird von einem Wettlauf der Medien befeuert, in dem es auch um Klicks und Quoten und Aufmerksamkeit geht. Die "sozialen" Medien, in denen jeder ganz unmittelbar und oft unter Schutz der Anonymität seine Empfindungslage einem breiten Kreis kundtun kann, und die immer intensivere Einbindung der Online-Community in die mediale Darstellung tragen dazu bei, ungebremste Aggression in den politischen Konkurrenzkampf und in dessen gesellschaftspolitische Aufarbeitung zu tragen.

Dem muss man als Mensch, als Politiker, gerade auch als Spitzenpolitiker erst einmal gewachsen sein. Diese dicke Haut, an der alles abperlt, was an Neid, Missgunst und Hass auf einen zukommt, haben die wenigsten – auch jene nicht, denen man eine gewisse Kaltschnäuzigkeit nachsagt. Das gilt auch für Christian Kern und Sebastian Kurz, die längst nicht alles so leicht wegstecken, wie es den Eindruck erweckt. Diese dicke Haut hatte auch Glawischnig nicht – oder nicht mehr, zumal sie als Frau, und das ist eine Tatsache, von untergriffigen Kommentaren und Anfeindungen ganz besonders betroffen ist.

Zeit, um innezuhalten

Ihr Rücktritt und dessen Begründung sollten der Politik – auch den grünen Parteifreunden – zu denken geben. Jetzt wäre ein Zeitpunkt, kurz innezuhalten und das Geschehene zu reflektieren, erst recht, wenn gerade ein Wahlkampf anläuft, in dem die Hemmschwellen noch einmal herabgesetzt zu werden drohen.

Das gilt auch für die Medien, die in ihrer schneller werdenden Produktion von Content zu Zuspitzungen neigen, auf die schnelle Aufregung setzen und nicht davor gefeit sind, auch mit Ängsten ihr Geschäft zu betreiben. In der Einbindung jener, die Onlineforen zur raschen Meinungsäußerung nutzen, sollten Medien noch stärker auf Moderation setzen als bloß auf die Verstärkung der Stimmungslage. Es geht um eine Debattenkultur, in der nicht Hass das dominante Element wird, sondern die von Respekt und Rücksicht getragen wird, auf allen Seiten.

Für die Grünen kommt der Rücktritt ihrer Chefin in einer ganz kritischen Phase der Schwäche. Fünf Monate vor der Wahl ist aber noch Zeit, sich neu aufzustellen, sich auf eigene Stärken und ein paar Inhalte zu besinnen. Das ist auch eine Chance. Wenn jetzt aber das Chaos ausbricht, ist alles vertan. (Michael Völker, 18.5.2017)