Die Proteste gegen die geplante Schließung eines Autozulieferwerks in La Souterraine im Zentrum Frankreichs halten an.

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"Wir werden alles in die Luft jagen", kritzelte einer unter die schweren Gasflaschen, die gut sichtbar auf dem Fabriksgelände platziert sind. Die 280 Arbeiter des Autozulieferers GM&S Industry in La Souterraine wissen, dass andere französische Kumpels auch schon zu solchen Drohgesten gegriffen haben, ohne allerdings je zur Tat zu schreiten.

Bei GM&S haben sie deshalb per Hubstapler bereits zwei alte Maschinen zu Brei gemacht. Eine Presse haben sie mit dem Schweißbrenner auseinandergenommen, eine Schaltstelle für Roboter zerlegt. Der robuste Gewerkschafter Yann Augras: "Wenn sie nur 60 von 280 Arbeitern behalten wollen, können wir genauso gut alles abbrennen oder sprengen."

Am Dienstag haben die Arbeiter vor dem Werkgelände demonstriert, um dann zum Rathaus zu ziehen. Die Behörden sind ihre letzte Hoffnung, nachdem sich die wichtigsten Abnehmer Renault und PSA Peugeot am Montag geweigert hatten, neue Aufträge zu garantieren. Nach fünf Besitzerwechseln in den letzten Jahren ist das Unternehmen zahlungsunfähig, am 23. Mai könnte das zuständige Gericht die Liquidierung aussprechen. Die Lokal- und Regionalbehörden sind noch mit einem Übernahmeinteressenten im Gespräch, doch der will nur 60 Jobs bewahren. Denn der Umsatz des Werks ist stark rückläufig, in fünf Jahren von 46 auf 24 Millionen Euro gesunken. Die französischen Automarken decken sich lieber – weil billiger – im Ausland ein.

Schulbeispiel für Niedergang

GM&S ist nur das neueste Schulbeispiel für den Niedergang des Industriestandorts Frankreich: Seit der Jahrtausendwende gingen über eine Million Arbeitsplätze verloren. EU-Gegner sagen, schuld sei der zu starke Euro, Liberale machen die 35-Stunden-Woche und das hohe Lohn- und Abgabenniveau verantwortlich.

Sicher ist, dass der industrielle Aderlass ärmere Gegenden wie das Departement Creuse um La Souterraine besonders hart trifft. Am Dienstag nahmen auch viele Anwohner an der Protestkundgebung teil. Der sozialistische Regionalratspräsident Alain Rousset warnt: "Dieses soziale Drama findet in einem Gebiet statt, in dem bei den Präsidentschaftswahlen die Wut der Wähler zum Ausdruck kam." Gemeint ist der erst zuletzt gestoppte Vormarsch der Populistin Marine Le Pen. Zu den rabiaten Methoden der GM&S-Arbeiter sagt Rousset: "Auch wenn die Wut nicht alles rechtfertigt, kann man sie verstehen."

Hoffen auf Macron

GM&S wird eine Prüfung für die Regierung. "Wir hoffen, dass der neue Staatschef auf den Tisch haut", meint der Gewerkschafter Yann Augras mit Blick auf die Aktienanteile, die der französische Staat an Renault und an PSA hält.

Emmanuel Macron hält an sich nicht viel von Staatseingriffen. Er will eher die Strukturschwächen der französischen Industrie bekämpfen, Unternehmensabgaben und -steuern senken. Das soll langfristig Jobs schaffen und die Rekordarbeitslosigkeit senken. Er wird sich zwischen linken und liberalen Wirtschaftsrezepten entscheiden müssen. Dirigistisch eingreifen oder die Privatwirtschaft sich selbst überlassen? Nicht nur bei GM&S wartet man gespannt auf die Weichenstellung. (Stefan Brändle, 16.5.2017)