Berlin – Der Internationale Währungsfonds (IWF) rät Deutschland zwecks Ankurbelung des Wachstums zu höheren Löhnen, geringeren Steuern auf Arbeitseinkommen und zu einer Investitionsoffensive. "Wir möchten darauf hinweisen, dass nach unserer Auffassung eine stärkere Lohndynamik unter den gegenwärtigen Umständen hilfreich wäre für die Wirtschaft", sagte IWF-Deutschlandexpertin Enrica Detragiache bei der Vorstellung des Länderberichts am Montag in Berlin.

Deutschland sollte dafür seine Haushaltsüberschüsse nutzen. Dabei solle das Land auch nicht vor einer leichten Neuverschuldung zurückschrecken. Die deutschen und europäischen Schuldenregeln müssten allerdings beachtet werden. Grundsätzlich stellte der Fonds der deutschen Finanzpolitik und der wirtschaftlichen Entwicklung im Lande gute Noten aus.

Stabile Lage

Die Finanzlage und der Wirtschaftsausblick seien stabil und günstig. Das Wachstumspotenzial sei aber mit mittelfristig 1,25 Prozent im Jahr relativ gering, wenn auch kurzfristig etwas höher. Die Wachstumsschätzung bleibe erst einmal bei 1,6 Prozent für heuer und 1,5 Prozent für das nächste Jahr, sagte die Expertin.

Über eine Vermögenssteuer diskutierte der Fonds bei seiner jüngsten Deutschland-Mission nach Detragiaches Worten nicht – anders als im Vorfeld in einigen Medien berichtet. Grundsätzlich sei die Ungleichheit bei den Einkommen und Vermögen in Deutschland zuletzt nicht weiter gewachsen, sondern eher stabil. Ein Problem könnte es aber beim Armutsrisiko geben, das sich zuletzt nicht vermindert habe. "Das ist der Aufmerksamkeit wert", monierte Detragiache.

Ein Weg, um dieses Thema anzugehen, wäre eine Rentenreform, die längeres Arbeiten attraktiver machen und so das Armutsrisiko im Alter vermindern könnte. Bei Steuerentlastungen sollte der Fokus auf den unteren und mittleren Einkommen liegen. Den im Ausland vielfach kritisierten deutschen Leistungsbilanzüberschuss erachtet auch der IWF als weit überhöht – er lag 2016 bei einem Niveau von 8,3 Prozent der Wirtschaftsleistung. (Reuters, 15.5.2017)