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In einem hat Sebastian Kurz jedenfalls recht: Diese Regierung ist am Ende. Aus und vorbei. Dass sich die Koalitionsfeinde noch zusammenraufen und etwas darstellen könnten, was als Regierung Sinn ergeben könnte, ist so unwahrscheinlich, wie dass Kanzler Christian Kern in Zukunft Pizzen austragen könnte.

Die ÖVP will und kann nicht mehr, das muss auch Kern zur Kenntnis nehmen. Daher wäre es angebracht, dieses unwürdige Schauspiel zu beenden und die Koalition zu Grabe zu tragen, am besten gemeinsam, vielleicht auch mit der Opposition, um einen Rest an Würde zu bewahren. Es ist nicht die Zeit für taktische Spielchen, wie man dem anderen den schwarzen Peter für die Neuwahl zuschieben könnte. Versagt haben beide Koalitionsparteien.

Kern wird es im Wahlkampf mit einer anderen ÖVP zu tun bekommen, die nur noch als Anhängsel ihres neuen Aushängeschilds antritt: Sebastian Kurz setzt alles auf eine Karte, und das ist eben Sebastian Kurz. Dass sich ein 30-Jähriger von seiner Partei eine Machtfülle ausbedingt, eigentlich erpresst, wie sie kein ÖVP-Chef vor ihm hatte, ist ein starkes Stück, das gerade die bisher so mächtigen Landeschefs und auch Chefs der Bünde in einen Schockzustand versetzen müsste. Sie verlieren damit ganz wesentlich an Einfluss und Mitspracherecht.

Die Partei muss sich ergeben: Künftig soll der Obmann alleinverantwortlich entscheiden, ohne dass die Gremien und Interessenvertretungen etwas mitzureden hätten. Die innerparteiliche Demokratie wird abgeschafft. Und die Partei muss sich ein Stück weit aufgeben: Sie wird nur noch als Anhängsel von Kurz auf dem Stimmzettel aufscheinen.

Aus der Sicht von Kurz ist das nur logisch, wenn nicht gar zwingend: Er will nicht nur irgendwie über die Runden kommen, er will bei der nächsten Nationalratswahl Erster werden. Ohne oder gegen die ÖVP kann er nicht gewinnen, mit ihr aber auch nicht: Das geht mit dieser ÖVP unter den bisherigen Voraussetzungen nicht. Daher forderte er das totale Durchgriffsrecht, das letztlich auch darauf hinausläuft, die Partei zu öffnen und andere Personen und Kräfte für die Wahlbewegung zu gewinnen, die sich sonst einer ÖVP nicht anschließen oder sich ihr unterordnen würden. Wie er das schon vor einem Jahr in den Geheimverhandlungen mit den Neos, mit Irmgard Griss, ein paar Wirtschaftstreibenden und anderen Persönlichkeiten versucht hat. Das ist damals gescheitert, es wird mit Sicherheit neue Anläufe geben.

Die für Kurz entscheidende Frage ist, ob ihm diesmal eine echte Verbreiterung gelingt oder ob er die ÖVP nur mit ein paar Namen behübscht und sonst den kleinen Diktator in einer ehemals großen Partei gibt, der er jetzt seinen Willen aufzwingt – und die mangels Alternativen bereit ist, sich zu unterwerfen und für die Inszenierung ihres vermeintlichen Superstars nur noch die Statisten zu stellen.

Für Kern ist das eine Chance. Dieses Gegenüber in einer Wahlauseinandersetzung, das alles verkörpert, was die SPÖ hasst und fürchtet, sollte in seiner Partei alle Kräfte mobilisieren, die keinerlei Ansprüche mehr gestellt haben, wie im Westen des Landes, oder die sich gegenseitig bekämpft haben, wie in Wien.

Für Kurz und die ÖVP steht alles auf dem Spiel: Sollte dieses Experiment scheitern, wäre seine politische Karriere beendet, er könnte sich um ein Stipendium für eine Universität im Ausland bemühen. Und die ÖVP wäre gebrochen, auf lange Zeit. (Michael Völker, 14.5.2017)