Dem Mythos der Unschuld und Unbeschwertheit als Synonym für das "Kindsein" huldigen in einem konfliktgeladenen Dialog Gottfried Helnwein und Werner Berg.

Foto: Aufschlagseiten der "Kinder"-Bücher von Helnwein & Berg, fotografiert von Thomas Korn

"Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben", sagte Pablo Picasso. Gottfried Helnwein dreht den Gedanken weiter: "Das ist deshalb so schwer, weil die meisten Erziehungssysteme wie Mähdrescher funktionieren: Vorne kommen die lieben Kinder hinein, und hinten kommen sie fein geschrotet und gemahlen wieder heraus. Und so werden Erwachsene erzeugt: durch die Zerstörung des Kindseins, des Spielens und Träumens, der Kreativität und Spontaneität. Aber das ist wahrscheinlich unvermeidlich, wenn man sich 'ordentliche Staatsbürger' wünscht." Helnwein legt seit Jahrzehnten den Finger auf offene Wunden, er zeigt schonungslos ungeschönt die Brutalität des Alltäglichen, subtil verborgen hinter pittoresken Fassaden, hinter lieblicher Trivialität.

Kinder sind auch im zart-bitteren Werk des Werner Berg (1904-1981) ein immer wiederkehrendes Thema. Zeitlebens dokumentierte der Künstler die Archaik und Kargheit des Alltags auf dem Land. In der selbsterwählten Zurückgezogenheit auf dem Kärntner Rutarhof versuchte Berg das Wesentliche des Daseins zu erfahren. Zu einem Dialog der auf den ersten Blick unterschiedlichen Künstler lädt Harald Scheicher in das Bleiburger Berg-Museum. Überzeugend die begleitenden Publikationen. Das fein gewobene, perfekt gestaltete Geschwister-Kinder-Buch-Paar dekuvriert Aspekte des Innenlebens und bietet berührende, persönliche, ja intime Momente. Christine Lavant, Josef Winkler und Christof Klimke arbeiten sich an der Conditio humana ab. Luzide die Erzählungen der Kinder und Enkel vom in sich gekehrten, oft schwierigen Vater, von bäuerlichen Arbeiten, Entbehrung und Armut. Helnweins Werk ist durchzogen von einer Ästhetik der Angst. Auch Berg zeigte Tod, Leiden, Krankheit. Gemein ist beiden grundsätzliche Skepsis. Subkutan an das Gute im Menschen appellierend. (Gregor Auenhammer, Album, 16.5.2017)