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Menschen warten in der Schlange vor einem Arbeitsamt in Madrid. In Spanien ist die verdeckte Arbeitslosigkeit laut EZB ein besonders großes Problem.

Foto: Reuters
Grafik: DER STANDARD

Wien – Die Krise am Arbeitsmarkt ist nicht zu Ende, aber es geht aufwärts. Das war die zentrale Botschaft der EU-Statistikbehörde Eurostat in den vergangenen Monaten. Schließlich fiel die Arbeitslosenrate über das vergangene Jahr betrachtet in 23 von 28 EU-Ländern.

In einem von der Europäischen Zentralbank (EZB) am Mittwoch veröffentlichten Forschungspa-pier werden erhebliche Zweifel an dieser Erfolgsbilanz angemeldet. Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist demnach deutlich höher, als aus der offiziellen Statistik ableitbar wäre. Die offizielle Arbeitslosenquote lag im Euroraum zuletzt bei 9,5 Prozent. Bezieht man alle Personengruppen ein, die vom Arbeitsmarkt ganz oder teilweise ausgeschlossen sind, liegt diese Zahl bei bis zu 18 Prozent, so die EZB-Ökonomen.

Keinen Zweifel gibt es daran, dass sowohl die Arbeitslosigkeit als auch diese erweiterte Arbeitslosenquote rückläufig ist. Doch die erweiterten Arbeitslosenzahlen gehen langsamer zurück als die Kernarbeitslosigkeit. Dies dürfte laut EZB auch einer der Gründe dafür sein, dass die Löhne in der Eurozone zuletzt nur moderat gestiegen sind.

Fokus auf stille Reserve

Um die erweiterte Arbeitslosenquote berechnen zu können, beziehen die EZB-Experten die sogenannte stille Reserve mit ein. Als stille Reserve gelten jene Menschen, die zwar arbeitsfähig sind, aber keinen Job haben und auch nicht aktiv suchen. Das sind zum Beispiel Personen, die nach langer Jobsuche frustriert aufgegeben haben. Zu dieser Gruppe gehören aber auch Menschen, die von ihren Arbeitgebern unfreiwillig in Frühpension geschickt wurden.

Eurostat berechnet seine Arbeitslosenzahlen auf Basis von zehntausenden Haushaltsbefragungen in ganz Europa – allein in Österreich sind es 1500 pro Woche. Als erwerbstätig gilt bei Eurostat, wer in der Woche mindestens eine Stunde arbeitet. Als arbeitslos gilt, wer keinen Job hat, aber aktiv sucht. Diese Zahl wird regelmäßig in Presseaussendungen verkündet. Daneben erhebt Eurostat aber auch die stille Reserve. Doch diese Statistik findet in der Öffentlichkeit kaum Beachtung.

Suche nach Lohnlücke

Zur Zahl der Arbeitslosen und der stillen Reserve addieren die EZB-Experten noch Menschen hinzu, die einen Job haben, aber angeben, mehr arbeiten zu wollen. Schließlich werden jene Personen eingerechnet, die arbeiten wollen, aber in naher Zukunft nicht können. Typisches Beispiel sind karenzierte Eltern. Durch Einbeziehung all dieser Gruppen ergeben sich die 18 Prozent.

Die EZB interessiert sich aus einem speziellen Grund für diese Zahlen. Nach 1999 stiegen die Löhne in der Eurozone immer dann spürbar an, wenn die Beschäftigung hoch war und ein Mangel an Arbeitskräften vorgeherrscht hat. Die Zahl der Beschäftigten hat das Vorkrisenlevel wieder erreicht. Laut EZB-Indikatoren herrscht derzeit im Industrie- und Dienstleistungssektor in der Eurozone wieder ein Mangel an Arbeitskräften. Trotzdem stiegen die Löhne im Währungsraum laut den Ökonomen zuletzt nur verhalten.

Die Erklärung dafür könnte lauten, dass die Zahl der erweiterten Arbeitslosen und der Unterbeschäftigten so hoch ist, dass dadurch ein Lohndruck nach unten entsteht, heißt es im Papier. Das Arbeitskräfteangebot liegt bei genauer Betrachtung deutlich über der Nachfrage. Das wirkt sich bei Gehaltsverhandlungen aus.

Die EZB-Experten orten ein Problem mit der Unterbeschäftigung in allen Euroländern außer Deutschland. Besonders in Spanien, Frankreich und Italien geben viele an, mehr arbeiten zu wollen. Auch die Zahl der Menschen, die zur stillen Reserve zählen, ist in diesen Ländern höher.

Österreich wurde von den EZB-Ökonomen nicht gesondert analysiert. Laut Statistik Austria zählten 2016 rund 126.000 Menschen zur stillen Reserve im Land. Zwei Jahre davor waren es noch 140.000. Die heimische Arbeitslosenquote beträgt laut Eurostat 5,9 Prozent. (András Szigetvari, 11.5.2017)