Zerstörung in der syrischen Stadt Deraa. Das Strategie-Institut IISS befürchtet, dass der Krieg noch Jahre weitergehen wird.

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Zehntausende Menschen wurden im Vorjahr in Mexiko ermordet. Die Drogenkartelle kämpfen im Land gegen schwindende Macht.

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Der syrische Bürgerkrieg hat sich im vergangenen Jahr zunehmend in eine Vielzahl von Einzelkonflikten aufgespalten und dürfte noch mehrere Jahre anhalten. Von einem geschlossenen Staat Syrien könne man "kaum noch sprechen", berichtete am Dienstag Emile Hokayem vom Strategie-Institut IISS bei der Vorstellung des Jahrbuchs "Armed Conflict Survey" (ACS) in London.

Die meisten Konfliktparteien agierten als Stellvertreter für die Interessen der beteiligten Regional- und Großmächte, Einflusszonen voneinander abzugrenzen, sei zunehmend schwierig. Das Blutvergießen in Syrien führte auch 2016 die traurige Statistik der weltweiten Kriege an. Nach den betont konservativen IISS-Schätzungen kamen dort rund 50.000 Menschen ums Leben, knapp ein Drittel der weltweiten Opferzahl von 157.000 – zum zweiten Mal hintereinander leicht rückläufig.

Verlagerung in Städte

Als weltweiter Trend machten die IISS-Experten um ACS-Herausgeberin Anastasia Woronkowa die zunehmende Verlagerung bewaffneter Konflikte in städtische Gebiete aus. Seien Aufständische früher meist in Bergen, Wäldern oder im Dschungel anzutreffen gewesen, "kämpfen er oder sie mittlerweile genauso oft in den Städten", sagte IISS-Direktor John Chipman. Der gleiche Trend lässt sich bei Kriegsflüchtlingen beobachten, weshalb die Verlagerung der Kämpfe in die Städte oft verheerende Folgen habe.

In Syrien und im Irak verlor die Terrorgruppe IS 2016 etwa ein Viertel ihres Gebietes. Zudem ist die Zahl der IS-Kämpfer einer Schätzung des US-Außenministeriums zufolge binnen zwei Jahren von 31.000 auf 12.000 gefallen. Im Süden Syriens hätten örtliche Milizen in den vergangenen Wochen den IS vertrieben, berichtete Hokayem. Allerdings würden die Milizen seit Tagen von Truppen des Präsidenten Assad angegriffen, was den Terroristen eine Atempause verschafft habe. Die Lage im syrischen Norden sei noch komplizierter. Dort stoße "kurdische Hybris auf arabische Arroganz". Hokayem warnte vor den Slogans optimistischer Kurden, sie wollten ihr Einflussgebiet bis ans Mittelmeer vergrößern. "Das werde von der Türkei als existenzielle Bedrohung wahrgenommen."

Dem Konfliktlösungsversuch unter russischer Führung sowie der UN-Konferenz in Genf gibt Hokayem kaum Chancen auf Erfolg. Der syrische Bürgerkrieg drohe sich in die Gruppe scheinbar endloser Kriege einzureihen, zu der auch die kurdischen Autonomiebestrebungen in der Türkei oder die Konflikte in Mali und der Ukraine gehören.

Mexiko auf Rang zwei

In der Rangordnung der 36 erfassten Konflikte nimmt der Drogenkrieg in Mexiko den zweiten Platz ein, gemessen an der Zahl der Opfer. Zwar ist es der Regierung gelungen, die Bedrohung des Staates durch die Drogenkartelle abzuwenden. Im vergangenen Jahr nahm aber die Gewalt gerade in jenen Gebieten zu, wo die kriminellen Banden um Einfluss kämpfen. In 22 der 32 mexikanischen Bundesstaaten stieg die Zahl der Morde. Die Gesamtzahl von 23.000 Todesopfern sei bemerkenswert, so Chipman, als in diesem Konflikt nicht wie anderswo "Artillerie, Panzer und Kampfjets" eingesetzt werden. (Sebastian Borger aus London, 9.5.2017)