Guido Wollmann leitet das neue Christian-Doppler-Labor.

Foto: MUI / F. Lechner

Innsbruck – Die Behandlung von Krebs hat zuletzt dank der Weiterentwicklung der Immuntherapie enorme Fortschritte gemacht. Sie bedient sich körpereigener Abwehrkräfte, um Tumoren im fortgeschrittenen Stadium zu behandeln. Sogenannte Checkpoint-Inhibitoren – Moleküle, die gezielt die das Immunsystem hemmenden Einflüsse der Tumorzellen ausschalten – konnten die Wirksamkeit der Therapie deutlich erhöhen.

Rund zehn bis 20 Prozent der Patienten sprechen heute darauf an. Der Mediziner Guido Wollmann von der Med-Uni Innsbruck spricht von einer Revolution in der Behandlung von Krebs: "Es gibt klinische Studien, die vor über zehn Jahren begonnen haben, und diese Patienten leben immer noch. Früher gab man ihnen höchstens noch ein Jahr. Nach einer solchen Zeitspanne sind selbst kritische Onkologen versucht, von Heilung zu sprechen."

Gute Ausgangslage

Die Ausgangslage für die Eröffnung des Christian-Doppler-Labors (CD) für virale Immuntherapie von Krebs an der Med-Uni war also ideal. Es ist das mittlerweile fünfte Doppler-Labor am Standort Innsbruck. Unter der Leitung von Wollmann wird maximal sieben Jahre lang in Kooperation mit Industriepartnern anwendungsorientierte Grundlagenforschung betrieben.

Im Zentrum der Arbeit steht die Kombination von Immun- und Virustherapie bei Krebserkrankungen. Dafür stehen in den kommenden Jahren 4,7 Millionen Euro zur Verfügung, wovon 2,35 Millionen die öffentliche Hand, in diesem Fall das Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium sowie die Nationalstiftung, beisteuert.

Bei der Mehrzahl der Patienten spricht die Immuntherapie nicht an. Zudem ist sie auf bestimmte Arten von Tumoren beschränkt, sagt Wollmann: "Das ist die große Herausforderung, der wir uns in Innsbruck stellen." Um die Immuntherapie noch effektiver zu machen, versucht man im Labor, sie mit der Virustherapie zu kombinieren.

"Eine Einschränkung bei der Immuntherapie ist, dass sie vor allem bei jenen Tumoren wirkt, die sehr fremdartig aussehen für den Körper", erklärt Wollmann. Doch Tumoren bilden sich aus körpereigenen Zellen, und daher ist der Großteil von ihnen für den Körper erst sehr spät als Tumor erkennbar.

Viren töten Tumorzellen

Hier kommt nun die Virustherapie ins Spiel. Sie bedient sich sogenannter onkolytischer Viren, die krebstötende Wirkung haben. Wollmann verwendet dazu des Virus VSV-GP, das von der Firma Vira-Therapeutics für eine klinische Studie vorbereitet wird. Dieses Virus infiziert und tötet im günstigsten Fall ganz gezielt Tumorzellen. Es infiziert den Tumor und vermehrt sich in ihm. Aber die onkolytischen Viren schaffen es nicht, den ganzen Tumor abzutöten, weil das körpereigene Immunsystem letztlich gegen das Virus arbeitet. Der Körper erkennt nicht, dass dieser Angriff der Heilung dient.

Wollmanns Ansatz im neuen Labor ist es, diese Immunreaktion des Körpers dazu zu nutzen, um die für die Immuntherapie unsichtbaren Tumoren wieder sichtbar zu machen und sie effektiver zu bekämpfen. "Denn die Immunantwort auf Viren ist der Immunantwort auf Zellen sehr ähnlich", erklärt er. Die Idee dahinter ist, dass die antivirale Antwort des Körpers auch eine antitumorale Antwort liefert.

Zu Beginn ihrer Forschungen werden Wollmann und sein Team nun ihr onkolytisches Virus VSV-GP benutzen, um damit in verschiedenen Modellen Tumoren zu behandeln. Ihr Hauptaugenmerk werden die Forscher auf die Immunantwort des Körpers richten. Und hier kommt der Industriepartner Boehringer-Ingelheim ins Spiel: Der Pharmakonzern wird Wirkstoffe aus der Immuntherapie zur Verfügung stellen, die er selbst entwickelt hat.

Die Wissenschafter werden diese Medikamente in Kombination mit der Virustherapie einsetzen und beobachten, ob dadurch ein deutlich besserer therapeutischer Effekt erzielt werden kann als in der jeweiligen Einzeltherapie.

Im Lauf der nächsten Jahre wollen die Forscher das Virus auch kontinuierlich abändern und anpassen. Erklärtes Ziel ist, am Ende eine Bibliothek von Viren zu erstellen, die je nach Art des Tumors zum Einsatz kommen. (Steffen Arora, 12.5.2017)