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Der Wahlkampf war hart, die Proteste zuvor groß. Das alles hat die Koreanerinnen und Koreaner zum Handeln animiert. 80 Prozent der Berechtigten gingen am Dienstag zur Wahl.

Foto: AP / Lee Jin-man

Am Ende wurde es der erwartete Erdrutschsieg für den linken Präsidentschaftskandidaten Moon Jae-in: Über 41 Prozent der Stimmen konnte der 64-Jährige laut Exit-Polls für sich gewinnen. Weit abgeschlagen folgt der konservative Hardliner Hong Joon-pyo mit knapp 20 Prozent. Das Wahlergebnis ist zweifelsohne ein klares Zeichen der Bevölkerung.

Moon hat in den fünf Jahren seiner Legislaturperiode viele Baustellen vor sich: Die viertgrößte Wirtschaft Asiens wächst so langsam wie seit 2012 nicht mehr, die Schulden steigen massiv, und die Einkommensschere geht weiter auseinander. Außerdem altert Südkorea schneller als jedes andere Land der Welt.

Moon hat seinen Wählern versprochen, gründlich am Status quo zu rütteln. Das Hauptanliegen vor allem der jungen Wählerschichten wird sich jedoch nur schwer umsetzen lassen: eine grundlegende Reform des Chaebol-Systems. Die familiengeführten Konglomerate, deren zehn größte knapp 80 Prozent des BIP generieren, bildeten einst das Fundament des Wirtschaftswunders vom Han-Fluss. Mittlerweile aber hindert ihre massive Dominanz die Volkswirtschaft daran, ein nachhaltiges Wachstumsmodell hervorzubringen. Die Chaebols genießen Steuerprivilegien und gesetzliche Schlupflöcher für korrupte Geschäftspraktiken, stellen aber immer wenige heimische Arbeitskräfte ein. Das verhindere das Gedeihen eines gesunden Mittelstands, sagen Kritiker, die sich auch an der Art stoßen, wie die Firmen über mehrere Generationen innerhalb von Familien weitergegeben werden, die sich über dem Gesetz wähnten.

Linke und Rechte sind in der Frage, wie der Staat mit Mischkonzernen umgehen soll, tief gespalten. Die Konservativen besitzen genügend Sitze im Parlament, um Gesetzesvorschläge einer liberalen Regierung zu blockieren.

Kein Palastpräsident

Dennoch wird Moon Jae-in sein Land vermutlich volksnäher und transparenter führen als seine öffentlichkeitsscheue Vorgängerin Park Geun-hye. Moon hat bereits angekündigt, sich nicht hinter den hohen Mauern des Präsidentenhauses abzuschotten, sondern die Amtsgeschäfte direkt am Gwanghwamun-Platz zu verrichten – jenem historischen Ort, an dem hunderttausende Demonstranten mit brennenden Kerzen für den Rücktritt von Präsidentin Park demonstriert haben. Noch am Wahlabend kündigte er in einer versöhnlichen Geste an die linke Zivilgesellschaft an, Angehörige der Opfer des Sewol-Fährunfalls von 2014 zu besuchen. Gleichzeitig versprach er, sein Kabinett mit Politikern aus dem ganzen politischen Spektrum zu besetzen.

Im Ausland wird vor allem Moons Nordkorea-Politik mit Argusaugen betrachtet: Der Sohn eines nordkoreanischen Flüchtlings wünscht eine Wiederaufnahme der Sonnenschein-Politik, die er einst als Generalstabschef des liberalen Präsidenten Roh Moo-hyun zu Beginn der 2000er-Jahre mitgeprägt hat. Die Sonderwirtschaftszone Kaesong und ein Tourismusressort in Nordkorea sollen wiedereröffnet werden – beides Projekte, die jedes Jahr mehr als 100 Millionen Dollar in die Hände des Regimes spülen könnten.

Dies wird unweigerlich zu einer Abkühlung der Allianz mit Washington führen, schließlich würde es die Sanktions- und Isolationspolitik von US-Präsident Donald Trump konterkarieren. Zudem möchte Moon die schon begonnene Stationierung des US-Raketenabwehrschirms Thaad in Korea neu überprüfen.

Trotz der ideologischen Spaltung Südkoreas bot der Wahltag ein beeindruckendes Signal der Demokratie: 80 Prozent aller Wahlberechtigten machten von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Vor dreißig Jahren haben sich die Südkoreaner ihr Recht auf freie Wahlen in blutigen Protesten erkämpft. Nun halten sie das Privileg in Ehren. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 9.5.2017)