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Die ursprüngliche Geschichte über den sensiblen Hicks aus "Drachenzähmen leicht gemacht" wird transmedial weitererzählt, wodurch auch emanzipatorische Figuren auftauchen.

Foto: AP / Dreamworks Animation

Wien– Zarte Feen, böse Hexen und clevere Detektive: Kinder von Geschlechterstereotypen fernzuhalten ist schwierig bis unmöglich. In den Spielzeugabteilungen herrscht über weite Strecken strikte Geschlechtertrennung entlang von Farben oder Figuren aus Büchern und Filmen, die ausschließlich Buben oder Mädchen ansprechen sollen. Kreative Gegenentwürfe, die auch die Massen erreichen, wie die heiratsunwillige und sportlich kompetitive Merida (2012) aus dem Hause Disney, sind die Ausnahme.

TV-Serie als Handlungsbrücke

Die Fachhochschule St. Pölten hat sich in einem eben abgeschlossenen Forschungsprojekt die Frage gestellt, wie über die Gestaltung von Kindermedien herrschende Geschlechterstereotype aufgeweicht werden könnten. Unter dem TitelTraEx – Transmedia Extensions. Geschlechtssensibles Erzählen für Kinder und der Leitung von Andreas Gebesmair fokussierten die Forscherinnen und Forscher sogenannte transmediale Erzählformen. Ihr Merkmal ist, dass die jeweiligen Geschichten und Figuren in anderen Kanälen weiterentwickelt werden können und dass die Erzählungen von Anfang an in verschiedenen Mediengattungen angelegt sind. "Eine zuvor womöglich schwache Mädchenfigur kann so, zum Beispiel in einem Game, aktiver werden", erklärt Andreas Gebesmair, Leiter des Instituts für Medienwirtschaft der FH St. Pölten.

Transmediale Projekte seien demnach als Erzählkosmos zu verstehen, der sich erst in der Zusammenschau unterschiedlicher Medien gänzlich erschließe. Prominentes Beispiel dafür sei die Reihe Drachenzähmen leicht gemacht. Den Start- und Endpunkt dieser Wikingergeschichte bilden Kinofilme, zudem gibt es sie als Comic, Game oder TV-Serie. Die TV-Serie funktioniert als "Handlungsbrücke zwischen den beiden Kinofilmen", erklärt Astrid Ebner-Zarl, die im Rahmen des von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projektes eine Analyse bestehender Kinderformate durchgeführt hat.

Die wehrhafte Astrid

Drachenzähmen leicht gemacht zeige besonders gut, wie sich durch den transmedialen Aspekt Figuren weiterentwickeln können. In der ursprünglichen Romanreihe kämen keine wichtigen weiblichen Figuren vor, doch in den Filmen und in der TV-Serie trete mit Astrid "eine überdurchschnittlich wehrhafte und emanzipierte weibliche Figur auf", erzählt Ebner-Zarl. Dieses Beispiel zeige, dass mithilfe diverser Kanäle starre Vorstellungen bezüglich des Geschlechts aufgelockert werden können. Gleichzeitig teile auch diese Reihe mit vielen anderen Erzählungen das Schicksal, dass sich gegen Ende hin die Mädchen- und Frauenfiguren gegenüber den männlichen Protagonisten wieder zurücknehmen müssen.

In der Medienanalyse zeigten sich vor allem Online-Spieleplattformen voll von Klischees, "vor allem, wenn sie sich explizit an Mädchen richten", beobachtet Ebner-Zarl. Viele dieser Plattformen sortierten nach thematischen Kategorien, außer wenn Mädchen draufklicken sollen – dann werde das Geschlecht zum Stichwortgeber. Unter "Mädchen" reihten sich schließlich Spiele, in denen es um die Betreuung von Tieren, Babys oder kranken Menschen gehe. "Es zeigte sich eine Parallelexistenz von sehr fortschrittlichen und sehr reaktionären Konzepten", resümiert Ebner-Zarl ihre Analyse. Zu den fortschrittlichen gehöre etwa Lilly Looking Through, ein auf Logik, Mathematik und Naturwissenschaften ausgerichtetes Spiel mit einer jungen Titelheldin.

Unternehmen mit Legitimationsbedarf

Parallel zur Medienanalyse wurde nach einer Vorlage des Buches Weil ein Schwein nicht immer Glück bringt ein eigenes Alternate Reality-Game entwickelt, umgesetzt und in einer Schule durchgespielt. Auf Basis dieses praxisbezogenen Teils und der Medienanalyse wurden Leitlinien für gendersensible Mediengestaltung entwickelt. Diese empfehlen etwa das Vermeiden einer getrennten Zielgruppenansprache für Mädchen und Buben oder diskriminierende Klischees. Dass zur Profitmaximierung auch ganz bewusst auf das Rezept "pink it and shrink it" zurückgegriffen wird, um den Verkauf an Mädchen anzukurbeln, damit waren die Forscherinnen und Forscher immer wieder konfrontiert.

"Für große Medienbetriebe gibt es mittlerweile aber durchaus Legitimationsbedarf", ist Gebesmair überzeugt und erinnert an eine Debatte über stereotype Legofiguren im Jahr 2014. Lego habe daraufhin eine Serie mit Wissenschafterinnen herausgebracht. "So etwas lässt die Medienbetriebe nicht mehr unberührt." (Beate Hausbichler, 10.5.2017)