Salzburg/Kaprun – In Salzburg hat sich am Dienstag ein 66-jähriger Pensionist wegen versuchter absichtlicher schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung vor Gericht verantworten müssen. Dem Mann wurde vorgeworfen, im vergangenen September in Kaprun (Pinzgau) vom Balkon seiner Wohnung im dritten Stock aus gezielt auf einen syrischen Geschäftsinhaber geschossen zu haben.

Vom Vorwurf der absichtlichen schweren Körperverletzung wurde der 66-jährige freigesprochen, da ihm laut Richter Günther Nocker nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden konnte, tatsächlich auf den Syrer gezielt zu haben. Es habe keine Zweifel gegeben, dass geschossen wurde, sagte Nocker bei der Begründung des Urteils. Unklar sei aber, in welche Richtung. Die Zeugenaussagen hätten hier ein "unrundes Bild" ergeben. Zudem sei im Erdreich, wo der Syrer bei der Abgabe der Schüsse stand, kein Projektil gefunden worden.

Einen Schuldspruch – zwei Monate auf Bewährung – gab es bezüglich der Sachbeschädigung. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

"Da habe ich einen Zorn bekommen"

Verletzt wurde bei dem Vorfall am 2. Septembers 2016 niemand. Allerdings gingen die Heckscheiben vom Auto eines Kunden und vom Lieferwagen des 29-jährigen Geschäftsmannes zu Bruch. "Ich habe draußen eine Zigarette geraucht. Da habe ich einen Schuss gehört. Er hat zuerst aufs Auto geschossen und dann auf mich", sagte der Syrer am Dienstag vor Gericht. "Er hat mich nicht getroffen, aber ein Projektil schlug direkt neben mir ein."

Der Schütze lag mit dem Geschäftsinhaber offenbar schon länger im Clinch. "Immer wenn er mich sah, hat er mich beschimpft", erzählte der Syrer. Grund für die Auseinandersetzung waren die langen Öffnungszeiten des Lebensmittelgeschäfts und der damit verbundene Lärm. Das Lokal befindet sich im Parterre des Wohnhauses, in dem auch der Angeklagte lebt.

Der Pensionist hatte schon die Tage zuvor zweimal die Polizei gerufen, weil sich der Geschäftsinhaber nicht an die Sperrstunde gehalten hatte. "Ich habe damals ziemlich einen sitzen gehabt", sagte der Angeklagte heute. "Beim Auto eines Kunden ist der Motor gelaufen. Arabische Musik war volle Tube aufgedreht und das Fenster offen. Da habe ich einen Zorn bekommen." Er beschimpfte den 29-Jährigen im Vorbeigehen, ging in seine Wohnung, holte sein Luftdruckgewehr und feuerte vom Balkon aus mehrere Schüsse auf die Straße ab.

Cobra überwältigte Verdächtigen

Weil im Notruf zunächst von einer Schrotflinte die Rede war und die Lage an Ort und Stelle unklar, wurde das Einsatzkommando Cobra gerufen. Als der Mann auf Klopfen eines Beamten der Verhandlungsgruppe die Türe öffnete, konnte er überwältigt werden. Im Schlafzimmer stießen Polizisten unter einer Matratze auf das leistungsstarke Luftdruckgewehr. Der Pensionist verwendete zudem Spezialmunition (Kaliber 4,5 Millimeter) für die Jagd auf Kleintiere und Vögel von offenbar hoher Präzision und Durchschlagskraft. Bei einem Beschusstest durchschlug das Projektil eine 18 Millimeter starke Massivholz-Platte, in eine Schweinshaxe, die dem menschlichen Gewebe ähnelt, drang es bis zu neun Zentimeter tief ein.

Die Staatsanwaltschaft leitete zunächst Ermittlungen wegen Mordversuchs ein. Der 66-Jährige saß dreieinhalb Monate in U-Haft, wurde später aber von einem Waffengutachten "entlastet": Die Wahrscheinlichkeit, dass es mit dem verwendeten Luftdruckgewehr zu einer schweren oder tödlichen Verletzung komme, sei deutlich weniger wahrscheinlich, als mit einer Feuerwaffe.

Der unbescholtene Angeklagte gestand am Dienstag zwar die Sachbeschädigung und sprach von einem "Riesenblödsinn". Er leugnete aber, auf den Geschäftsinhaber geschossen zu haben. "Es war kein Mensch auf der Straße", war er sich sicher. Der Vorwurf des Syrers sei ein Racheakt wegen der vorangegangenen Streitereien, sagte der Verteidiger des Angeklagten. Das Opfer habe zunächst nur von Schüssen auf Fahrzeuge berichtet, erst später von Schüssen auf Personen. Das wies der Syrer aber heute zurück.

Ob er denn Probleme mit Menschen aus dem arabischen Kulturkreis habe, wollte Richter Günther Nocker vom Pensionisten wissen. Gegenüber der Polizei habe der Angeklagte von einer "starken Abneigung" berichtet. Und er beschwerte sich in der U-Haft darüber, dass man einem Araber mehr glaube, als einem Österreicher. "Im Grund habe ich nichts gegen sie", sagte der Pensionist heute. "Aber ich verstehe ihre Mentalität nicht."

Neben der bedingten Haftstrafe muss der Pensionist wegen der zerschossenen Autoscheiben 240 Euro Schadenersatz zahlen. Auch sein Luftdruckgewehr bleibt beschlagnahmt. (APA, 9.5.2017)