Die Gedenkzeremonie zum Weltkriegsende gab den Rahmen für den ersten gemeinsamen Auftritt des alten und des neuen Präsidenten.


Foto: AFP / Stéphane de Sakutin

Weltweit Erleichterung, doch in Frankreich selbst herrschte am Montag eher eine gewisse Ernüchterung. Erste Analysen zeugen von einem gespaltenen, ja zerrissenen Land: Emmanuel Macron obsiegte im Westen und Zentrum des Landes sowie in Großstädten. Seine unterlegene Gegnerin Marine Le Pen gewann nur zwei von hundert Departements. Hohe Stimmenzahlen erzielte sie in Gegenden mit hoher Arbeitslosigkeit und tieferen Einkommen.

Macron gelobte, er wolle diesen bedenklichen Graben zuschütten. Dazu brauche er aber eine "echte und starke" Unterstützung des Volkes. Macron weiß, dass sein Wahlresultat besser aussieht, als es ist. Die Stimmenthaltung betrug mehr als 25 Prozent, dazu gab es 11,5 Prozent weiße bzw. ungültige Stimmen – doppelt so viele wie jemals zuvor in der Fünften Republik. Linkenchef Jean-Luc Mélenchon meinte deshalb, auch dieses Wählerdrittel – neben Le Pens Wählern – habe Macron die Stimme verweigert.

Umgemünzt auf die Parlamentswahlen im Juni heißt das, dass Macron nicht sicher sein kann, eine Regierungsmehrheit zu erhalten. Laut einer ersten Umfrage des Instituts Opinionway kommt Macrons Bewegung En Marche mit etwa 260 bis 270 Sitzen nahe an die absolute Mehrheit von 289 Stimmen heran. Die Konservativen müssten mit 200 Sitzen vorlieb nehmen. Die Sozialisten kämen gar nur auf knapp 40, der Front National auf rund 20. Mélenchons Linksfront könnte wegen des Mehrheitswahlrechts nur mit sieben rechnen.

Neben den Konservativen und den Sozialisten haben sich mit En Marche und Mélenchons Bewegung vier gleich starke Blöcke gebildet – was jede Mehrheitsbildung erschwert. Zum Beispiel ist noch unklar, wie viele konservative Kandidaten zu En Marche überlaufen werden. Macron ködert sie mit dem Hinweis, sie können in der Partei der Republikaner bleiben und unter dem Label einer "präsidenziellen Mehrheit" antreten. Offen ist auch, wie sich der rechte Flügel der Sozialisten um Ex-Premier Manuel Valls verhalten wird. Macrons Bewegung soll nun auch, wie Montagabend bekannt wurde, in "La République en Marche" umbenannt werden.

Proteste von Gewerkschaftern

An der sozialen Front weht Macron bereits ein rauer Wind ins Gesicht: Am Montag versammelten sich auf der Pariser Place de République bereits tausende Gewerkschafter. Sie protestierten "vorbeugend" gegen Macrons geplante Arbeitsrechtsreform. Er scheint damit bereits eingekeilt zwischen einer harten Rechtsopposition in der Nationalversammlung und einer außerparlamentarischen Front von links.

Um bei den Parlamentswahlen eine Mehrheit zu erhalten, wird sich der neue Präsident bemühen müssen, zuerst die populäreren Wahlversprechen umzusetzen. Heiße Eisen kann er erst nach der Juni-Wahl anpacken.

Ein erster Fingerzeig, welche politische Richtung Macron einschlagen will, wird die Nominierung des neuen Premierministers geben. Macron legte sich bereits vor der Wahl fest, gab aber den Namen bisher nicht bekannt. Er sagte nur, dass sein Premier über "Erfahrung im politischen Feld" verfügen müsse. Das lässt viele an den sozialistischen Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian denken, der zu Macron übergelaufen ist. Aber auch eine Frau könnte das Rennen machen. Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde scheint es nicht in die französische Politik zurückzuziehen, eher schon könnte die zentristische Europa-Abgeordnete Sylvie Goulard eine Chance bekommen. Am Dienstag wird Macron die deutsche Kanzlerin Angela Merkel besuchen. (Stefan Brändle aus Paris, 9.5.2017)