Ismail Haniyeh ist Hamas-Chef.

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Gaza – Nur wenige Tage nach der Ankündigung einer Änderung ihres Grundsatzprogramms hat die radikalislamische Hamas einen neuen Anführer gewählt. Der als Pragmatiker geltende Ismail Haniyeh wurde am Samstag zum neuen Chef der Palästinenser-Organisation bestimmt. Die israelische Armee äußerte die Hoffnung, dass Haniyeh "gute Entscheidungen für die Palästinenser trifft".

Haniyeh, langjähriger Hamas-Führer im Gazastreifen, setzte sich bei der Wahl gegen Moussa Abu Marzouk und Mohammed Nassal durch, wie ein Hamas-Sprecher am Samstag in Doha bestätigte. Die Wahl erfolgte per Videokonferenz der Mitglieder der Schura – des obersten Rates – der Hamas im Gazastreifen, im Westjordanland und außerhalb der Palästinenser-Gebiete.

Haniyeh tritt die Nachfolge von Khaled Meshaal an, dessen zweimaliges Mandat an der Spitze der Palästinenser-Organisation nach zwei Jahrzehnten endete. Sowohl Meshaal als auch sein Nachfolger gelten als Verfechter einer pragmatischen Linie im Konflikt mit Israel. Im Gegensatz zu Meshaal, der im Exil in Doha lebt, wird Haniyeh aber voraussichtlich im Gazastreifen bleiben.

"Zeit für Verheißung und Hoffnung?"

"Hamas hat einen neuen Anführer gewählt. Zeit für Verheißung und Hoffnung?", schrieb Peter Lerner, Sprecher der israelischen Armee, im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Er hoffe, dass Haniyeh "gute Entscheidungen für die Palästinenser trifft, deren Führung er anstrebt."

Nur wenige Tage vor der Wahl ihres neuen Chefs hatte die radikalislamische Hamas, die von Israel, der Europäischen Union und den USA als Terrororganisation eingestuft wird, erstmals seit ihrer Gründung ihr politisches Programm geändert. In dem neuen Programm akzeptiert sie einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967.

Damit versucht sie nach Einschätzung von Experten, sich der internationalen Isolation entgegenzustemmen und wieder in die Nahost-Verhandlungen einbezogen zu werden. Der Staat Israel wird in dem neuen Programm allerdings nach wie vor nicht anerkannt.

Der scheidende Hamas-Chef Meshaal hatte anlässlich eines Treffens des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas mit US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus am Mittwoch gesagt, es gebe eine "historische Gelegenheit", Israel unter Druck zu setzen, damit "eine gerechte Lösung für das palästinensische Volk" gefunden werde. Die Regierung Trump zeige größere "Kühnheit" als frühere US-Regierungen und könne die "Gelegenheit" nutzen, die sich mit der programmatischen Neuausrichtung der Hamas ergebe.

"Meshaal hat bereits eine neue Phase der Öffnung eingeleitet", sagte Fawzi Barhoum, Sprecher der Hamas im Gazastreifen. "Haniyeh wird diesen Weg fortsetzen."

Der 54-jährige Haniyeh wurde in dem Palästinenser-Gebiet geboren. Er besuchte eine UNO-geführte Schule für palästinensische Flüchtlinge und später die Islamische Universität.

Während der ersten Intifada – dem 1987 begonnenen Palästinenser-Aufstand gegen Israel – wurde er mehrfach von Israel inhaftiert. 1992 wurde er von Israel mit hunderten Aufständischen in den Südlibanon abgeschoben.

2003 überlebte Haniyeh ein Attentat, als die israelische Luftwaffe ein Haus bombardierte, in dem er sich mit Hamas-Gründer Scheich Ahmed Yassin traf. Später gab Haniyeh den Ausschlag dafür, dass Anschläge der Hamas innerhalb Israels ab 2005 eingestellt wurden.

2006 führte er die Hamas zum Sieg über die Fatah im Gazastreifen und wurde dort Regierungschef. Die internationale Gemeinschaft lehnt Gespräche mit einer palästinensischen Regierung unter Hamas-Beteiligung jedoch ab, solange diese nicht der Gewalt abschwört und Israel sowie die bisherigen Friedensabkommen anerkennt. (APA, 6.5.2017)