Günther Weidlinger: "Fehlt nur noch, dass hinter den Athleten ein Gebläse Rückenwind erzeugt."

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Nike

Monza – Geht es nach Nike, dann soll am Wochenende der Marathon-Weltrekord nicht nur unterboten werden, sondern die gelaufene Zeit unter zwei Stunden betragen. "Breaking2" heißt das millionenschwere Projekt des Sportartikel-Riesen in Monza, der kenianische Olympiasieger Eliud Kipchoge, der Äthiopier Lelisa Desisa und Zersenay Tadese aus Eritrea sind die gecasteten Protagonisten.

Schauplatz ist das "Autodromo Nazionale di Monza", gelaufen werden 17,5 Runden auf einem 2,4 Kilometer langen, flachen Kurs. "Ich gehe davon aus, dass es mit diesem Set-up durchaus möglich ist, unter dem alten Weltrekord zu bleiben, ich halte eine Zeit von 2:01 für möglich. Aber unter 2:00 Stunden ist, glaube ich, unmöglich", sagte Österreichs früherer Topläufer und ÖLV-Marathonrekordler Günther Weidlinger. Den Weltrekord hält seit 2014 der Kenianer Dennis Kimetto in 2:02:57 Stunden, gelaufen in Berlin.

"Es ist eine sehr spannende Sache"

Mittlerweile auch Trainer im Österreichischen Verband, blickt Weidlinger gespannt nach Monza. Er hatte kurz sogar ins Auge gefasst, an den Schauplatz des Geschehens zu reisen. Nun wird er im Internet hängen und auf rasche Informationen hoffen. "Ich halte es für einen super Marketing-Gag, momentan redet in der Laufszene jeder darüber. Es ist eine sehr spannende Sache. Es hätte mir Spaß gemacht, das zu beobachten."

An dem Versuch an sich sieht er "nichts Verwerfliches". Es sei legitim und ethisch vertretbar. "Vorausgesetzt sie laufen sauber, und von dem gehe ich aus." Schneller, höher, weiter übe nun einmal eine große Faszination aus. Man wolle wissen, wozu der Mensch fähig sei und im Marathon seien die zwei Stunden eine Schallmauer. Ein Rekordversuch über die 42,195 Kilometer bewege Millionen Menschen auf der Welt, die sich selbst schon im Marathon versucht hätten. "Und die wissen, was notwendig ist, dass man da unter drei Stunden kommt. Oder zweieinhalb. Und dann fehlt noch einmal eine halbe Stunde", sagte Weidlinger.

Das afrikanische Trio wurde von Nike nach zahlreichen von Wissenschaftern begleiteten Tests ausgewählt. Bei der Auswahl der Location waren neben dem flachen Untergrund, der glatten Asphaltbeschaffenheit und den wenigen Kurven auch die Langzeit-Wetterdaten (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind) mitentscheidend. 12 bis 14 Grad, leicht bewölkter Himmel und Windstille würden idealen Bedingungen nahekommen.

"Alles andere wäre eine Riesenblamage"

Dazu werden die Tempomacher immer frisch sein, das heißt nach Belieben ein- und ausgewechselt. Die Athleten selbst rennen im Windschatten eines Fahrzeuges mit großer Anzeigentafel. "Fehlt nur noch, dass hinter den Athleten ein Gebläse Rückenwind erzeugt, aber dann würde die ganze Geschichte futuristisch werden", meinte auch Weidlinger.

Der 39-jährige Weidlinger, der ÖLV-Rekorde über zahlreiche Distanzen hält und seinen schnellsten Marathon 2009 in Frankfurt in 2:10:47 Stunden lief, weiß aus eigener Erfahrung, wie viel optimierte Faktoren bringen können. "Ich denke, dass die Zeit unter den Weltrekord gehen wird, alles andere wäre eine Riesenblamage." Weltrekord wäre es freilich keiner, weil die Vorgaben des Weltverbandes IAAF, was beispielsweise die Tempomacher betrifft, nicht erfüllt werden.

Sanktionen durch die IAAF hätten die Athleten aber auch keine zu befürchten, sagte Weidlinger. "So lange es kein Dopingvergehen gibt, kann die IAAF nichts dagegen tun. Es ist zu sehen wie ein Trainingslauf. Und einen Trainingslauf auf einer Rennstrecke zu absolvieren hinter einem Pacemaker, das ist nicht Schlimmes."

"Mental ist das auch nicht einfach"

Was freilich nicht optimier- und vorhersehbar ist, ist die Tagesverfassung von Kipchoge und Co. Und schon das Verschieben des Rennens um einen Tag würde die perfekt abgestimmte Vorbereitung ein bisschen unperfekter machen. "Du planst für einen Marathon auf den Tag X und nicht den Tag X plus drei", sagte Weidlinger. "Wenn man beispielsweise heute entscheidet, doch noch nicht morgen zu laufen, sondern übermorgen, kann es trotzdem noch funktionieren. Aber man schläft ja vor einem Marathon nicht so gut, ist nervös. Mental ist das auch nicht einfach."

Das nervöse Kribbeln vor dem Wettkampf wird Weidlinger auch selbst bald wieder spüren. Er betreut derzeit einen Geschäftsmann auf dem Weg zum ersten Ironman und wird den Triathlon über die Distanz von 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und 42,195 km Laufen am 2. Juli in Klagenfurt auch selbst als Begleitperson und Motivator absolvieren. Das Ziel ist unter 15 Stunden zu bleiben. (APA; 5.5.2017)