Patrick Konrad trägt beim Giro nicht wenig Verantwortung.

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Vincenzo Nibali siegte 2016 für Astana, heuer soll der Hai von Messina für Bahrain-Merida reüssieren.

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Dort wird geradelt.

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Alghero/Wien – Wolfgang Konrad wird in den nächsten drei Wochen schon aufgeregt sein, allerdings nicht so sehr wie vor dem Wien-Marathon, den er seit bald 30 Jahren veranstaltet. "Da liegt die Verantwortung ja ganz bei mir." Mit seinem Sohn Patrick Konrad (25), der die Ehre hat, das deutsche Profiradteam Bora Hansgrohe als Kapitän in den 100. Giro d' Italia zu führen, fiebert er mit, "aber seitdem er Profi ist, braucht er keine Ratschläge mehr von mir".

Die Kapitänsrolle hatte noch kein Österreicher bei einer der drei größten Landesrundfahrten – Giro, Tour de France und Vuelta a España – auszufüllen. Patrick Konrad fällt sie auch zu, weil sich der absolute Star der Mannschaft, der Slowake Peter Sagan, auf die Frankreich-Rundfahrt konzentriert und der Tscheche Leopold König kurzfristig wegen Knieproblemen ausfiel. Aber auch, weil sich der Niederösterreicher in kurzer Zeit einen guten Namen gemacht hat unter den Profis – als vielseitig begabter Teamplayer mit Potenzial. Nach dessen siebentem Rang bei der Baskenland-Rundfahrt und guten Vorstellungen bei der Flèche Wallonne (16.) und Lüttich-Bastogne-Lüttich (20.) traut Boras sportliche Leitung, zu der auch der Oberösterreicher Christian Pömer zählt, Konrad sowohl eine respektable Position in der Gesamtwertung als auch das eine oder andere Tagesspitzenergebnis zu.

Schlüsse nach dem Ätna

"Ich lasse es auf mich zukommen", sagt Patrick Konrad, der bei Bora von seinen Landsleuten und Spezis Lukas Pöstlberger und Gregor Mühlberger unterstützt wird. Nach dem Ätna, der Bergankunft der vierten Etappe am Montag, könnten erste Schlüsse zu ziehen sein. Vater Wolfgang Konrad glaubt aber eher, dass einige Tage verstreichen müssen, ehe sein Sohn wirklich in Erscheinung treten kann. "Erst muss die Frage nach den tatsächlichen Anwärtern auf das Rosa Trikot des Gesamtführenden geklärt sein. Vorher hat ein höher eingeschätzter Fahrer keine Freiheiten."

"Unser Ziel sind Etappensiege, die Gesamtwertung werden wir Tag für Tag nehmen", sagt Pömer, der neben der sportlichen Leitung an der Seite des deutschen Ex-Profis Enrico Poitschke auch die Logistik bei Bora verantwortet. In den Sprints wird auf den Belgier Sam Bennett und den Italiener Matteo Pelucchi gesetzt, wenn es bergauf geht, eben auf Patrick Konrad, dessen Vater Wolfgang von einem Vertrauensvorschuss spricht, der seinem Sohn entgegengebracht werde. "Es ist natürlich eine Verantwortung, wenn die ganze Mannschaft für ihn hackelt. Andererseits hat er sich seine Position dadurch verdient, dass er Jobs erledigt, die eigentlich nicht die Seinen sind."

Herausforderer Quintana, Titelverteidiger Nibali

Wolfgang Konrad wird seinen Sohn am 23. Mai am Stilfser Joch (2758 Meter), dem vorletzten Anstieg der 16. Etappe, zugleich dem höchsten Punkt des 100. Giro ("Cima Coppi"), erwarten. Nicht wenige tippen, dass in den Steigungen dieses Tages das Ringen um den Gesamtsieg einen Höhepunkt erlebt. Der Kolumbianer Nairo Quintana (27) von Movistar gilt als erster Herausforderer von Titelverteidiger Vincenzo Nibali (32), der vor der Saison von Astana zur Mannschaft Bahrain-Merida wechselte.

Der "Hai von Messina", der anlässlich der fünften Etappenankunft am Mittwoch daheim vorbeischaut, kann mit Blick auf das schwierige Profil des Jubiläums-Giro – in der letzten Woche warten 13 Anstiege erster und zweiter Kategorie – die Favoritenrolle locker auf Leichtgewicht Quintana schieben: "Die Strecke ist richtig hart, vor allem mit den Bergen der letzten Woche. Der stärkste Kletterer wird siegen."

Startschuss.
Giro d'Italia

Selbst Nibali, der als einer der stärksten Abfahrer im Feld gilt, empfand den Plan der Veranstalter als Wahnwitz, erstmals auch den flottesten Bergabfahrer zu küren und mit 5000 Euro exakt gleich zu dotieren wie den schnellsten Bergauffahrer. Nach geharnischten Protesten mit Verweis auf den tödlichen Sturz des Belgiers Wouter Weylandt vor sechs Jahren bei der Abfahrt vom Passo del Bocco in der Provinz Genua wurde zurückgerudert.

Schwarzer Giro

Ohnehin trägt der Giro nach dem tödlichen Trainingsunfall seines Ex-Siegers Michele Scarponi Schwarz. Der 37-jährige Familienvater war vor zwei Wochen bei einer Trainingsfahrt in seinem Heimatort Filottrano nahe Ancona mit einem Kleintransporter kollidiert und auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Scarponi, der 2011 das Maglia Rosa nach der Dopingdisqualifikation des Spaniers Alberto Contador quasi geerbt hatte, sollte bei Astana den verletzten Fabio Aru ersetzen, der Nibali als Kapitän gefolgt war. Nun geht das kasachische Team aus Respekt für seinen verlorenen Ersatzkapitän mit nur acht Mann in die Italienrundfahrt. (Sigi Lützow, 4.5.2017)