Damit Frankreich großzügig, tolerant und weltoffen bleibt", sei Emmanuel Macron zu wählen: Das haben Großrabbiner Haïm Korsia, der protestantische Pastor François Clavairoy und der muslimische Kultusvorsteher Anouar Kbibech am Donnerstag in einer Erklärung festgehalten.

Der Appell der drei Konfessionen, die in Frankreich zusammen rund sieben Millionen Wähler repräsentieren, kontrastiert mit der Haltung der katholischen Bischofskonferenz. Das Führungsgremium der etwa 40 Millionen Gläubigen verzichtet auf eine Wahlempfehlung. Diese Neutralität liegt formell auf der bisherigen Linie. Man halte die Wähler für reif genug, den politischen Gewissensentscheid selbst zu fällen. Im Jahr 2002, als Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl vorgestoßen war, hatte die Bischofskonferenz zwar auch keine Empfehlung abgegeben. Namhafte Bischöfe sprachen sich aber damals gegen das "totalitäre und antichristliche Erbe" des FN-Gründervaters aus.

Auch jetzt wenden sich einzelne Stimmen wie Kardinal Philippe Barbarin gegen den "gefährlichen Nationalismus". Der Präsident der Bischofskonferenz, Georges Pontier, weigert sich aber, Stellung zu nehmen. Die der Konferenz nahestehende Theologin Monique Baujard fragte in der katholischen Zeitung "La Croix": "Haben wir es nötig, uns von den Bischöfen an der Hand in die Wahlkabine geleiten zu lassen?"

So berechtigt die Frage ist, kaschiert sie doch eine gewisse Verlegenheit über den Umstand, dass der "vote catholique" in dieser Stichwahl nicht einheitlich ist. Im ersten Wahlgang hatten sich die praktizierenden Katholiken mehrheitlich hinter den Konservativen François Fillon geschart.

Für EU, gegen Ehe für alle

Jetzt brechen die Unterschiede auf. Die Bischöfe erinnern selbst an das republikanische Gebot der Brüderlichkeit, das für Migranten und Europa spricht – und für Macron. Die konservative Vereinigung Sens commun – die für Fillon Kampagne gemacht hatte – und die kleine christliche Partei PCD haben aber die Parole "ni-ni" (weder noch) ausgegeben. Die einflussreiche Bewegung gegen die Ehe für alle hat gar gegen Macron Stellung bezogen, weil er Adoptionen von ausländischen Leihmutter-Kindern zulassen will.

Die kleineren Konfessionen rufen indes auch nicht aus einheitlichen Motiven zur Wahl Macrons auf. Bei den schätzungsweise 600.000 französischen Juden spielt mit, dass Macron gegen den Boykott von Produkten aus israelischen Siedlungsgebieten ist und keinen diplomatischen Druck für eine Zweitstaatenlösung im Nahen Osten ausüben will. Die knapp zwei Millionen Protestanten – genaue Zahlen gibt es nicht, da ethnische und religiöse Statistiken in Frankreich verboten sind – gehören zu den gut gebildeten und urbanen Bevölkerungskategorien, die laut Wähleranalysen mit bis zu vier Fünfteln für den liberalen Ex-Minister abstimmen.

Die vier bis fünf Millionen Muslime sind vehement gegen Le Pen und schätzen an Macron dessen Einstehen für die Chancengleichheit. Anders als Le Pen will er das islamische Kopftuch zudem nicht von der Universität verbannen.

Ein gemeinsamer Punkt schart alle Konfessionen hinter Macron: Der 39-Jährige tritt für einen "toleranten" Laizismus ein und will die Religionen nicht strikt in die Privatsphäre verbannen. "Die Religionen", meinte er im Wahlkampf, "haben in der öffentlichen Debatte eine Rolle zu spielen und sollen daran teilnehmen." Das dürfte ihm einige Stimmen gläubiger Franzosen eintragen, auch wenn er selbst noch kaum je eine Messe besucht haben dürfte.

Keine Probleme mit einer Wahlempfehlung hatte der einstige US-Präsident Barack Obama. Er gab am Donnerstag seine Unterstützung für Macron bekannt. (brä, 4.5.2017)