In Anne Leppers "Käthe Hermann" wird auf drastisch-vergnügliche Weise das Kreuz wie das Glück der Familie beschworen: Heimarbeit gegen den Kältetod auf der Welt.

Foto: Caro Stark

Dornbirn – Think global, act local! Groteske Umdeutung erfährt diese Devise in Käthe Hermann. Das Stück der 1978 im Ruhrbergbaugebiet geborenen Anne Lepper kam im Vorarlberger Rheintal fünf Jahre nach seiner Uraufführung zur österreichischen Erstaufführung. Die Titelheldin wähnt sich die Welt erlösend – durch leitbildhafte Familien- und Kulturarbeit -, während die eigene Behausung wackelt. Heftig wackelt: Denn Käthe Hermann (Johanna Tomek), Tochter (Barbara Bauer) und Sohn (Jens Ole Schmieder) sehen sich mit Umsiedlung konfrontiert.

Schon zu Beginn der Produktion des Ensembles UNPOP prangt inmitten des Wohnzimmers der Erdhaufen, vor dem die Witwe Käthe letztendlich, strotzend von fossiler Energie, ins Schlussbild sinkt, zum zarten Spieluhrdudeln aus Schwanensee. Vorher aber steckt die Junggebliebene das Geld vom Amt noch in neue Tapeten. Die laufen nicht unter Raumdekor, sondern stehen im Zeichen der täglichen Portion Kunst, zu der die alten Kinder als Tonmeister und Beleuchterin, vor allem aber auch als Fans der Privatprimadonna beizutragen haben.

Stephan Kasimir (Regie) und Caro Stark (Bühne und Kostüm) sind gemeinsam mit Thomas Bechter die Köpfe des Ensemble UNPOP (kurz für "unpopuläre Freizeitgestaltung"), 2016 bespielte man erstmals das Kulturhaus in Dornbirn. Auch Anne Leppers Seymour inszenierte Kasimir in überirdisch-kreativer Partnerschaft mit Ausstatterin Caro Stark (Theater Kosmos in Bregenz, 2013), wieder als österreichische Erstaufführung fand Käthe Hermann nun unterirdisch, in Kellerräumlichkeiten statt. Sprechen die UNPOP-Menschen über ihr Theaterkonzept, fällt jener Ausdruck, der in Käthe Hermann das letzte Wort hat, "berühren": Huldvoll lädt Käthe ihre imaginierte Massengefolgschaft zum Körperkontakt. Schon davor stammelt sich Rollstuhlsitzer Martin in Filmfantasien, befummeln muss er sich selbst. Zuletzt müht sich die Hand Richtung Mutter, erreichen kann er sie nicht.

Jubel und Weltfriede

Da hat sich Irmi schon erhängt, an jenem unförmigen Wollschal, den sie zuvor so emsig häkelte und einmal, in Form ihres weggelegten Babys gebracht, wiegte. Dieser Tod tangiert Käthe nur als Ingredienz ihres absurden Konstrukts der Jubel, Taumel und Weltfrieden auslösenden Vorbildwirkung der Familie Hermann. "Es ist auch schon um ein paar Grad kälter geworden", lautet eine der Erfolgsmeldungen der Weltbürgerin Käthe, die "Normaltemperatur auf Erden" herbeizuleben gedenkt, in konsequenter Jenseitigkeit.

Stephan Kasimir, der in seinen Arbeiten oft den Soundrabauken gab, setzt kluge dramaturgische Akzente und vertraut ansonsten auf die Kraft des bösen Textes und der mehr als guten Schauspieler. Das Premierenpublikum klatschte sich die Hände heiß. (Petra Nachbaur, 4.5.2017)