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Ein Foto vom Juli 1938, als sich die Industrie-region rund um Pittsburgh in ihrer Glanzzeit befand. Die Arbeiter für die großen Stahlfabriken in der Region und ihre Familien kamen meistens aus Europa, aus der Slowakei, Deutschland, Österreich, Italien. Im Bild ist ein griechisches Kaffeehaus in Ambridge zu sehen.

Foto: Foto: Getty/Corbis

Ambridge – Trish und Marco waren gewöhnliche Kleinunternehmer, bis das Ehepaar sich vor wenigen Wochen dazu entschlossen hat, Großgrundbesitzer zu werden. Die beiden kauften in Ambridge, Pennsylvania, eine 100 Jahre alte Kirche. Sie erwarben gleich daneben ein stillgelegtes Schulgebäude mitsamt Parkplatz und mittendrin ein Einfamilienhaus. Ambridge liegt inmitten des Rust Belt, der einst stolzen Industrieregion im US-Hinterland.

Viele Häuser stehen in der Ortschaft leer und verfallen. Ein großer Teil der Geschäftslokale auf der Hauptstraße von Ambridge, der Merchant Street, ist verwaist. Seitdem in den 1980er-Jahren eine Stahlfabrik nach der anderen zusperrte, verließen zehntausende Menschen die Region.

Die Immobilienpreise fielen in den Keller. Inzwischen erkennen erste Investoren darin wieder eine Gelegenheit, Geschäfte zu machen. Trish und Marco haben Kirche, Schule und Haus zu einem Spottpreis von umgerechnet 100.000 Euro gekauft. Nun wollen sie in den Gebäuden ein Zentrum zur Förderung von Jungunternehmern einrichten. Sie glauben, eine Nische gefunden zu haben. Ambridge liegt nur eine halbe Autostunde von der aufstrebenden Stadt Pittsburgh entfernt. Weil Grundstücke in der Stadt immer teurer werden, dürfte es bald wieder mehr Menschen ins Umland ziehen.

Trump tut dem Land gut

"Es geht aufwärts", sagt der großgewachsene Marco, im Rust Belt wie in den USA. "Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Aktienmärkte sind auf einem Rekordhoch, es wird wieder investiert. Das liegt zu einem großen Teil an Donald Trump. Er ist gut für die USA."

der STANDARD hat sich in Ambridge, Clairton, Homestead und den anderen kleinen Orten rund um Pittsburgh umgesehen, um die Geschichten der Menschen aufzuschreiben und die politische Transformation im US-Hinterland zu verstehen. Der Rust Belt wählte 2016 Trump.

Ein Motiv, das bei allen Gesprächen mit Trump-Unterstützern wiederkehrt, ist sein Versprechen, den Kampf gegen illegale Migration zu forcieren. Trish und Marco reden zwar darüber, dass sie glauben, der neue US-Präsident sei besser für die Wirtschaft, weil er die Bürokratie bekämpfen will.

Angst vor Chaos

Doch rasch kommen auch sie auf illegale Einwanderer aus Mexiko zu sprechen. "Es gibt schon zu viele von ihnen im Land", sagt Marco. Was ihn aufregt, ist, dass die Menschen nicht die vorgesehenen legalen Wege nutzen, um einzureisen. "Das schafft Gesetzeslosigkeit und führt auf lange Sicht zu Chaos. Trump will dagegen endlich etwas tun", sagt Marco. Dass ihm ja niemand Rassismus unterstelle: Er selbst ist aus Argentinien in die USA eingewandert und konnte erst nach Jahren Staatsbürger werden.

Einwanderung spielt in der Geschichte des Rust Belt eine zentrale Rolle. Ende des 19. Jahrhunderts ließen industrielle Pioniere wie Andrew Carnegie rund um Pittsburgh ihre gewaltigen Stahlwerke errichten. Die Arbeiter in den Fabriken und ihre Familien waren meistens kurz zuvor aus Italien, der Slowakei, Polen, Griechenland, Österreich und Deutschland eingewandert.

Dieses Erbe ist überall sichtbar in den Rust-Belt-Ortschaften Pennsylvanias. Viele haben heute italienische und deutsche Nachnamen. Die Großeltern des Priesters in Ambridge, Joe Carr, stammen aus Baden (NÖ). Die Kirche, die Trish und Marco gekauft haben, wurde von slowakischen Einwanderern gebaut und jahrzehntelang von ihnen genutzt.

Einwanderungsstopp

Die Arbeiter lebten mit ihren Familien zuerst in heruntergekommenen Massenquartieren, die von den Fabriksbetreibern errichtet wurden. Doch die rasch wachsende Industrieproduktion bescherte den Menschen höhere Löhne. Damit kamen Häuser, Autos – der Wohlstand.

Als in den 1980er-Jahren der Zusammenbruch der Stahlindustrie begann, endete die Einwanderungswelle. Menschen aus Süd- oder Lateinamerika, die in den vergangenen 30 Jahren millionenfach in die USA einwanderten, trifft man in der Gegend um Ambridge kaum. Die Region hat ihren Reiz verloren. Wo in den USA keine Migranten hinkommen, steckt die Wirtschaft in der Krise.

Dass die Industrie im Rust Belt einst von Einwanderern groß gemacht wurde, spiegelt sich in den aktuellen Debatten vielleicht darin wieder, dass hier selbst die Trump-Anhänger Verständnis für Migranten äußern. Mexikaner seien fleißig, strengten sich oft mehr an als die Amerikaner. Sie kämpften nur für ein besseres Leben, seien gute Familienmenschen: So sehen das hier viele.

Den harten Kurs des US-Präsidenten unterstützen aber auch jene Menschen, die so reden.

So ist es beim Krankenpfleger Paul, der bei einem Gespräch in einer Bar sagt, dass die "begrenzten Ressourcen unseres Landes den Einheimischen und nicht den Einwanderern zugutekommen sollten". Das habe Trump versprochen. Mit seinen Ankündigungen, eine Mauer zu Mexiko bauen zu wollen, und mit seinen Dekreten gegen Einwanderer setze der Präsident nun bloß das um, was er den Wählern zugesagt habe.

"Scheinheilige Liberale"

Der Polizeisergeant Jim aus Clairton, einem Ort unweit von Ambridge, sieht es ähnlich. Hillary Clinton hätte den illegalen Einwanderern ein Aufenthaltsrecht und am Ende vielleicht sogar die Staatsbürgerschaft verliehen. Zig Millionen Menschen wären damit eingebürgert worden. "Das ist einfach zu viel", sagt Jim.

Und da ist schließlich der 36-jährige Stahlarbeiter Doug, den der STANDARD ebenfalls in Clairton trifft. Die illegalen Einwanderer in den USA seien gezwungen, jede Arbeit anzunehmen, egal, wie miserabel der Lohn dafür sei. Doug: "Die Migranten haben am Ende des Tages kaum genug Geld, um zu überleben. Sie drücken aber die Löhne für alle am Arbeitsmarkt." Die "liberale Elite" im Land lasse das geschehen und beschimpfe jeden, der so wie Trump etwas gegen die Missstände unternehmen will, als Rassisten. "Ich halte das einfach nur für scheinheilig."

Dass die erzählten Geschichten nicht immer widerspruchsfrei sind, stört die Menschen nicht weiter. Trish und Marco berichten lange davon, wie schrecklich es für sie war, Marcos Einbürgerung nach der Hochzeit der beiden durchzusetzen. Ständig musste er Termine in irgendwelchen Ämtern wahrnehmen. Dazu kamen Anwalts- und Verfahrenskosten. 15.000 US-Dollar haben die beiden im Laufe der Jahre bezahlt, um aus Marco einen US-Amerikaner zu machen. "Die Wege zur legalen Einwanderung müssten erleichtert werden", sagt Trish, eine Mauer zu bauen, so wie es Trump vorhat, sei der falsche Weg. Doch fast im selben Atemzug sagt sie: "Die Gesetze sind einzuhalten. Die Menschen können nicht einfach hierherkommen." (András Szigetvari, 4.5.2017)