Der Privatkonkurs wurde vereinfacht. Fachleute erwarten jetzt, dass ihn mehr Menschen in Anspruch nehmen.

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Wien – Bei Österreichs Schuldnerberatungen herrschte im Vorjahr gewissermaßen Ruhe vor dem erwarteten Sturm. Mit 7.855 eröffneten Privatinsolvenzverfahren ist deren Zahl verglichen mit 2015 um fast zehn Prozent gesunken. "Man könnte meinen, das ist ein gutes Zeichen", sagt Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der Dachorganisation ASB Schuldnerberatungen, "in Wahrheit ist das Gegenteil der Fall." Viele hätte die zehnprozentige Mindestrückzahlungsquote abgeschreckt.

Für das zweite Halbjahr erwartet Mitterlehner hingegen einen kräftigen Anstieg der Insolvenzverfahren, wenn mit der Neuregelung des Konkursrechts nicht nur die Mindestquote entfällt, sondern auch das siebenjährige Verfahren verkürzt wird. "Nach der neuen Regelung werden die meisten Verfahren fünf Jahre dauern, manche auch nur drei Jahre", erwartet Mitterlehner.

Banker mit gemischten Gefühlen

Von "zwei Herzen in seiner Brust" berichtet Peter Bosek, Privatkundenvorstand der Erste Group, den "Privatkonkurs neu" betreffend: Als Gläubiger schmerze es zwar, weniger Geld zurückzubekommen. "Andererseits ist es sinnvoll, dass durch die Novelle die Schwellen zum Eintritt in ein Verfahren herabgesenkt werden." Dann könnten Betroffene schneller entschuldet und ins "geregelte Erwerbsleben" zurückgeführt werden. "Die Alternative ist, dass Menschen Schuldenberge vor sich herschieben. Davon habe ich als Bank auch nichts."

Befürchtungen von Gläubigerschützern, dass die Reform Kredite verteuern werde, teilt Bosek zwar nicht, pocht jedoch darauf, dass "die Eigenverantwortung für eingegangene Verpflichtungen" aufrecht bleibt. "Es wird keinen Gratiskonkurs geben", beruhigt Mitterlehner unter Verweis auf künftig strengere Überprüfungen bei der Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens, sofern sich Gläubiger und Schuldner nicht auf einen Zahlungsplan einigen. Dann müssten Überschuldete etwa nachweisen, dass sie alles Zumutbare unternehmen, um zu einer Beschäftigung zu kommen.

Arbeitslosigkeit ist übrigens mit einem Anteil von über einem Drittel der häufigste Grund für Überschuldung, gefolgt von gescheiterter Selbstständigkeit. Das Besondere bei Ex-Unternehmern: Ihre Schulden sind im Mittel mit fast 111.000 Euro annähernd doppelt so hoch wie der Durchschnitt aller Betroffenen. Mitterlehner ist dennoch froh, dass im Insolvenzfall alle gleichbehandelt werden: "Es geht nicht um Zahlen, Fakten und Prozente, sondern um die Menschen, die dahinterstehen."

Für laufende Privatkonkursverfahren soll es eine Übergangsregelung geben. Sprich: Ab Juli verkürzt sich die Laufzeit bestehender Abschöpfungsverfahren auf drei Jahre, zudem entfällt auch die bisher gültige Mindestquote von zehn Prozent. Wer übrigens bereits in einem Konkursverfahren an dieser Quote gescheitert ist, dessen 20-jährige Sperrfrist wird künftig ausgesetzt. Betroffene können ab Juli einen weiteren Anlauf zur Entschuldung nehmen.

Weniger Konsumschulden

Rückläufig sind laut einer von der ING Diba beauftragten Umfrage die Verbraucherkredite in Österreich. Demnach gaben 40 Prozent an, Konsumschulden zu haben – um sieben Prozentpunkte weniger als im Jahr zuvor. Zumeist werden dazu Kontoüberziehungen und Verbraucherkredite in Anspruch genommen. Im Gegensatz zu Österreich sind die Konsumschulden im europäischen Mittel konstant geblieben.

Auch Erste-Group-Vorstand Bosek berichtet von weniger Konsumfinanzierungen. Das erklärt aus seiner Sicht, zusammen mit dem Zinstief, warum sich die Zahl der Privatkonkurse und der von Schuldnerberatungen betreuten Personen zuletzt tendenziell verringerte. Und wenn die Zinsen künftig steigen? "Dann wird es wieder zu mehr Privatkonkursen kommen." (aha, 3.5.2017)