Straßburg – Der Europarat hat Ungarn vor der Verabschiedung eines umstrittenen Gesetzes gewarnt, das finanziell aus dem Ausland unterstützte Nichtregierungsorganisationen unter strikte Kontrolle stellen soll. Dieses Vorhaben würde zahlreiche Menschenrechtsorganisationen "stigmatisieren" und könne deren Aktivitäten lähmen, betonte der Menschenrechtsbeauftragte der paneuropäischen Länderorganisation, Nils Muiznieks, in einem Schreiben an den ungarischen Parlamentspräsidenten Laszlo Köver. Außerdem würde das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt, was internationale Menschenrechtsstandards verletze.

Zudem würde das fragliche Gesetz Nichtregierungsorganisationen hohe Verwaltungskosten aufbürden, warnte Muiznieks in dem am Mittwoch in Straßburg veröffentlichten Brief. Die bei Verstößen gegen die Auflagen vorgesehenen Sanktionen – hohe Geldstrafen oder gar die Auflösung von Nichtregierungsorganisationen – seien besonders beunruhigend. Das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Versammlungsfreiheit würde damit völlig ausgehöhlt.

Öffentliche Debatte fehlte

Auch habe es vor der Einbringung des Gesetzes ins ungarische Parlament am 7. April keine öffentliche Debatte mit Vertretern der Zivilgesellschaft darüber gegeben, kritisierte Muiznieks. Anlass zu Besorgnis gebe auch die Rhetorik mancher Mitglieder der ungarischen Regierung, die "aus dem Ausland" finanzierte Organisationen als "ausländische Agenten" bezeichneten.

Der Gesetzentwurf gleiche in vieler Hinsicht dem international kritisierten russischen Gesetz über "ausländische Agenten". Auch damit werde die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen, die Gelder aus dem Ausland erhalten, stark eingeschränkt.

Gerichtliche Registrierung

Der ungarische Gesetzentwurf betrifft Organisationen, die jährlich mehr als umgerechnet 23.000 Euro aus dem Ausland erhalten. Sie sollen verpflichtet werden, sich gerichtlich registrieren zu lassen. Außerdem werden sie verpflichtet, sich im Internet, in Pressemitteilungen und anderen Veröffentlichungen als "aus dem Ausland unterstützte Organisationen" auszuweisen.

Die rechtskonservative Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán begründet das Vorhaben mit dem Kampf gegen Geldwäsche. Die Finanzen von in Ungarn tätigen Organisationen müssten transparent gemacht werden, hatte Orbán wiederholt erklärt. Die Ungarn hätten ein Recht darauf zu erfahren, wer diese Akteure seien, welche Interessen sie hätten und wer sie bezahle.

Ähnlich hatte Russland sein "Agenten-Gesetz" gerechtfertigt, das unter anderem vom Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisiert wurde. Die Beratung des Gesetzes im ungarischen Parlament soll nach Angaben der Regierungspartei Fidesz Mitte Mai beginnen. Dem Europarat gehören 47 Staaten an – alle europäischen Länder mit Ausnahme Weißrusslands. (APA, 3.5.2017)